Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
nein.«
»Maria, du musst mir in dieser Sache vertrauen«, sagte Hector. »Ich bin der Einzige, der dich beschützen kann. Carrera ist verrückt geworden. Kaum vorstellbar, was er dir beinahe angetan hätte. Meiner kostbaren, wunderschönen kleinen Tochter.« Hector legte Maria eine Hand an die Wange.
Sie schlug sie weg und trat einen Schritt zurück. »Nein. Fass mich nicht an. Wie konntest du – all diese Menschen sind tot? Wegen dir?«
»Ich habe nur meine Pflicht getan. So wie es heute meine Pflicht ist, dich zu beschützen. Komm jetzt mit mir. Sofort.« Es war offensichtlich, dass Hectors Geduld mit seiner Tochter am Ende war.
Maria ließ sich jedoch nicht einschüchtern. »Wenn du mich nicht auch umbringen willst, dann lässt du diese Menschen frei und hilfst mir dabei, Michael zu retten.«
Hectors Gesicht färbte sich dunkelrot vor Zorn. Als seine Hand zur Waffe fuhr, fragte sich Caitlyn einen Moment lang, ob er wohl sein einziges Kind erschießen würde.
Sie spurtete los, wollte ihn aufhalten, obwohl sie viel zu weit entfernt stand. Sogleich wurde sie von Hectors Mann gepackt und zu Boden gedrückt.
Zur gleichen Zeit war Cho losgeschnellt und warf sich in die Schusslinie. Hector sah ihn verblüfft an. »Weg von meiner Tochter!«, brüllte er.
»Wieso? Damit Sie sie umbringen können? Vorher müssen Sie an mir vorbei.«
Jetzt hatten alle Männer die Waffen auf Cho gerichtet. Der Chirurg blickte sich um, als sei er selbst überrascht über seinen Mut, blieb jedoch tapfer stehen. Hector hob eine Augenbraue und zog seinen Revolver. Er zielte auf Cho.
»Nein!«, schrie Maria.
37
Maria konnte nicht glauben, was da geschah. Auf gewisse Weise war es sogar noch schrecklicher, als Prescotts verstümmelte Leiche zu finden oder mit den verrückten Insassen auf der Station eingesperrt zu sein. Denn diese Erlebnisse waren so unfassbar gewesen, so unvorstellbar grauenvoll, dass sie der Realität enthoben schienen.
Aber jetzt ging es um ihren Vater. Der ihr das Schwimmen beigebracht hatte, der sie stets dazu angeregt hatte, sich ihren Ängsten zu stellen und niemals aufzugeben. Und um dessen Anerkennung sie schon ihr Leben lang verzweifelt kämpfte.
Ausgerechnet er sollte ein Massenmörder sein? Menschen hingerichtet und gefoltert haben? War es wirklich möglich, dass er Michael und Kevin umbringen und auch noch den Tempel zerstören wollte, der Entdeckungen von historischem Wert barg? Um seine Verbrechen zu vertuschen?
Die Fragen prasselten auf ihren Verstand ein, bis ihr schwindelig wurde und sie nicht mehr klar denken konnte.
Dann stellte sich Kevin auch noch zwischen sie und die Waffe ihres Vaters. Genau wie vorhin, als Dr. Carrera sie bedroht hatte. Sie kannte ihn erst seit Kurzem, und doch war Marias Leben ihm mehr wert als ihrem eigenen Vater.
Sie sah ihn über Kevins Schulter hinweg an. Diesen Gesichtsausdruck hatte sie nie zuvor an ihm gesehen. Fort war der arrogante, überhebliche Zug um den Mund, der ihn jünger und selbstbewusst wirken ließ, als könne er es mit der ganzen Welt aufnehmen. Stattdessen wirkte er ausgezehrt … Alt. Müde.
Und gequält.
»Nein«, wiederholte sie mit fester Stimme. Sie trat hinter Kevin hervor, stellte sich zwischen ihn und ihren Vater. Dann ging sie langsam auf Hector zu, bis sie nur noch wenige Zentimeter trennten, und legte beide Hände auf seine Waffe. »Schluss mit dem Morden, Vater. Wenn du mich liebst, dann hör auf damit.« Sie sprach mit tränenerstickter Stimme. »Ich kenne diesen Mann nicht, der vor zwanzig Jahren all diese schrecklichen Dinge getan hat. Ich kenne nur meinen Vater. Den Mann, zu dem ich mein ganzes Leben lang aufgesehen habe. Den Menschen, den ich mehr als mein eigenes Leben geliebt habe.«
Er sah ihr in die Augen, und plötzlich gab es nur noch sie beide auf der Welt. Genau wie früher, als er sie dazu aufgefordert hatte, höher auf das Sprungbrett zu klettern oder stärker in die Pedale ihres Rads zu treten. Und wie damals bei ihrer Erstkommunion, als sie sich umgedreht und seinen Blick aufgefangen hatte, der nicht auf dem Priester lag, sondern ihr, nur ihr allein, gegolten hatte.
»Vater«, sie schluckte schwer. »Jetzt ist es an dir, mich stolz zu machen.«
Seine Waffe glitt zurück ins Holster und er schloss sie in die Arme. »Maria, mein Engel. Ich würde doch alles für dich tun.«
Sie hielt ihn fest umschlungen, dann löste sie sich, um ihn anzusehen. »Dann hilf mir, meinen Bruder zu retten. Hilf mir, Michael zu
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