Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
Gebirgsausläufer, befand sich eine nach dem See benannte Klinik. Der Legende entnahm Caitlyn, dass die Klinik nur wenige Kilometer von der Ausgrabungsstätte entfernt lag, zumindest, wenn man sich auf direktem Weg durch die Berge zu ihr durchschlug. Über die einspurige Straße, die als dünne Linie auf den Karten erkennbar war, wäre der Weg etwa dreimal so lang.
Auf den Satellitenbildern erkannte sie lediglich Bäume, Hügel, Berge und Wolken. Ab und zu schimmerte ein silbernes Fleckchen durch, wenn die Schlucht breit genug wurde, um den Fluss durch die Baumdecke hindurch ausmachen zu können. Der einzige Hinweis auf menschliches Leben waren ein paar dicht beieinanderstehende Gebäude am Nordufer des Sees: die Clínica Invierno. Mitten im Nirgendwo.
Weshalb sollte jemand, der vorgab, Prescott zu sein, Maria in ein derartig abgelegenes Gebiet locken? Sicher nicht, um nach einem verschollenen Maya-Tempel zu graben, so viel stand fest. Es musste mit der Vergangenheit ihrer Eltern zu tun haben – vielleicht kannten Hector und Sandra diese Gegend? Sie schaute sich in der Lobby um. Die Alvarados und ihr Pilot waren immer noch nicht aufgetaucht, obwohl es bereits zwanzig vor acht war.
»Könnten Sie bitte für mich in der Suite der Alvarados anrufen?«, fragte sie den Mann an der Rezeption.
»Ich fürchte, die Alvarados haben bereits ausgecheckt, Ma’am.«
»Ach, tatsächlich? Würden Sie mir verraten, wann?«
»Um sechs Uhr heute Morgen. Sind Sie Miss Tierney? Die Herrschaften haben eine Nachricht für Sie hinterlassen.« Er überreichte ihr einen Umschlag mit den Insignien des Hotels.
Caitlyn hätte am liebsten laut geflucht, stattdessen verzog sie sich in eine ruhige Ecke, um den Brief zu lesen. Sandra Alvarado entschuldigte sich mit feiner weiblicher Schönschrift dafür, die Zeit und Ressourcen des FBI verschwendet zu haben, und erklärte, dass sie Caitlyns Dienste nicht länger bedürften, da sie erfahren hätten, Maria sei bei entfernten Verwandten in ihrem Heimatland untergekommen.
Großartig. Einfach großartig. Allein auf Cozumel gestrandet, genau darüber hatte sie sich doch gestern noch mit Carver lustig gemacht. Verdammt, sie konnte es nicht leiden, wenn sie in einem solchen Fall recht behielt.
Nicht nur, was ihre Einschätzung der Alvarados betraf. Auch ihre Vorahnung, Maria stecke in viel größeren Schwierigkeiten, als irgendjemand wahrhaben wollte.
Sie rief Yates an. Der Assistant Director war auch so früh am Morgen schon im Büro und ging sogar selbst ran. Sie schilderte ihm die Lage.
»Vermuten Sie, dass die Alvarados da irgendwie mit drinhängen?«, fragte er, offensichtlich ebenfalls verärgert über das Verhalten der beiden. Sie schienen das FBI für ihren Laufburschen zu halten, den sie nach Belieben herbeizitieren und wieder wegschicken konnten.
»Nein. Wenn dem so wäre, warum hätten sie uns dann angerufen und überhaupt erst so einen Wirbel um die Sache gemacht? Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber da geht eindeutig irgendetwas in Guatemala vor, das sie vor uns verbergen möchten. Vielleicht gab es eine Lösegeldforderung? Und sie wurden angewiesen, niemanden einzuweihen?«
»Da sie aus Guatemala stammen, könnte es sich auch um eine Familienfehde oder etwas in der Art handeln.«
»Und ihre Tochter dient als Köder, um sie ins Land zurückzulocken?« Dann ginge es um mehr als nur Geld. Und Maria würde in noch größerer Gefahr schweben, als Caitlyn ohnehin schon befürchtet hatte.
»Wie wollen Sie weiter vorgehen?«, fragte er.
»Ich möchte Maria aufspüren. Irgendjemand muss sich doch um sie kümmern, wenn schon den Eltern nicht am Wohl ihrer Tochter gelegen ist.«
»Dabei kam Ihnen dieser Auftrag doch zuerst äußerst ungelegen. Die Alvarados müssen Sie ja wirklich verärgert haben.«
»Die beiden haben Ihre Zeit, meine Zeit, die Gelder der Steuerzahler und des FBI verschwendet, außerdem steht das Leben einer jungen Frau auf dem Spiel. Ich bin also verdammt verärgert.« Sie wartete mit angehaltenem Atem auf Yates’ Entscheidung. Wenn er sie anwies, sich in den nächsten Flieger nach Hause zu setzen, war sie geliefert, denn damit wäre Maria auf sich allein gestellt, und das konnte Caitlyn auf keinen Fall zulassen. Mit Yates’ Unterstützung wäre die Suche in dem fremden Land außerdem wesentlich einfacher.
»Wir werden das folgendermaßen rechtfertigen«, sagte er nach einer längeren Pause. »Jetzt, da wir berechtigte Sorge um das Wohlergehen dreier
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