Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
sich mit dem anderen alten Mann zu messen.« Dr. Carrera blinzelte sie an. »Sie sind also das Mädchen, das für ihn den Tempel ausfindig gemacht hat?«
Maria nickte. Die Vorfreude, die sie bei ihrer Ankunft im Hafen gespürt hatte, war allerdings von den Ereignissen der letzten Tage verdrängt worden. »Ja, das bin ich.«
»Unglaublich.« Er schnalzte mit der Zunge, es klang bewundernd und gleichzeitig auch ein wenig missbilligend. »Nun, irgendwann werden wir es erfahren.«
Was erfahren? Ob ihre Entdeckung Prescotts Leben wert war? Maria sank erschöpft auf die Kissen zurück, die kurze Unterhaltung hatte sie bereits vollkommen ausgelaugt.
»Helda, lassen Sie uns der Patientin etwas zu essen bringen. Brühe mit Ei vielleicht? Magenschonend, denn wir wollen ja nicht, dass Ihnen gleich wieder schlecht wird.«
»Das wäre sehr freundlich«, sagte Maria. »Also geht es allen gut. Ich bin so erleichtert.« Sie musste an ihre Eltern denken. Inzwischen hatten sie bestimmt von ihrem Verschwinden erfahren. Eigentlich hatte sie sich gleich nach ihrer Ankunft bei der Ausgrabungsstätte bei ihnen melden wollen, aber … »Könnte ich kurz telefonieren? Ich muss meiner Familie sagen, dass es mir gut geht.«
Ihr Vater würde sie umbringen. Sie überlegte angestrengt, wie sie ihm das alles am besten erklären könnte.
Dr. Carrera errettete sie aus den Grübeleien. »Ihr Handy ist im Wasser kaputtgegangen. Und ich fürchte, durch die jüngsten Stürme sind die Telefonleitungen bis auf Weiteres außer Gefecht gesetzt worden. Mich überrascht, dass Sie bei dem Sturm und Donner nicht aufgewacht sind, trotz des Beruhigungsmittels. Aber gestern habe ich noch mit Ihrem Vater gesprochen, kurz bevor das Unwetter heraufzog. Er sagte, er sei bereits auf dem Weg. Bis morgen, spätestens übermorgen, sollte er hier eingetroffen sein.« Der Doktor sah sie mit sorgenvoll gerunzelter Stirn an, wie ein strenger Großvater es tun würde. »Er klang nicht sehr glücklich über Ihr Verhalten, junge Dame.«
Zumindest blieb ihr so die Standpauke ihres Vaters noch einige Zeit erspart. Bis dahin würde sie wieder bei Kräften sein, konnte ihm den Tempel zeigen und ihn überreden, sie hier bei der Ausgrabung des Professors mitmachen zu lassen. Wenn der Professor sie überhaupt noch dabeihaben wollte. »Hat Professor Zigler gesagt, ich meine, wird er die Ausgrabung trotzdem fortführen? Kann ich mich seinem Team noch anschließen?«
»Selbstverständlich wird er das. Das ist sein Lebenstraum. Und was Ihre Mitarbeit angeht, da müssen Sie sich erst noch ein wenig ausruhen, bis wir diese Infektion in den Griff bekommen haben.« Sie wollte schon widersprechen, doch er hob mahnend den Finger. »Ärztliche Anweisung. Und jetzt ruhen Sie sich aus. Helda wird sich um Sie kümmern. Alles wird gut werden, das verspreche ich.«
17
Jake konnte den Blick nicht von der grotesken Verbindung von menschlichen Knochen und Plastikröhren lösen. Mit Schrauben aneinander befestigt. Und von einer Socke überdeckt. Einfach grauenvoll. »Wurde ihm das Bein weggeschossen?«
»Nein.« Der Bestattungsmitarbeiter lachte. »So sehen unsere entbeinten Hühnerkeulen alle aus.« Schwungvoll lüftete er den Stoff des anderen Hosenbeins – um die Toten einfacher ankleiden zu können, war er hinten aufgeschnitten worden – und legte eine weitere Plastikröhre frei, die vom Fuß bis hoch zum Becken führte.
»Entbeinte Hühnerkeule?«
»Tut mir leid, so nennen wir sie hier nach der Entnahme.«
»Haben Sie das fabriziert?«, fragte Jake. Es kostete ihn große Überwindung, sich das monströse Gebilde noch einmal anzusehen und sich vorzustellen, dass das einmal ein Junge im Teenageralter gewesen war. Ihm wurde schlagartig klar, warum Shapiro derartig hartnäckig an dem Fall dranblieb. Das hier war einfach nicht richtig. Es war schändlich.
Der junge Beerdigungsassistent drehte, ohne mit der Wimper zu zucken, eine der Plastikröhren so, dass Victors Fuß wieder besser hielt. »Wir? Um Gottes willen, nein. Normalerweise findet die Entnahme im Krankenhaus statt. Ein oder zwei Mal ist auch ein Team hierhergekommen, weil der Tote zuerst bei uns gelandet ist. Die haben uns zwar auch gefragt, ob wir den Vorgang lernen wollen, sie sagten, pro Leiche wären es an die tausend Dollar, aber Mr Darrow, der wollte das nicht. Er nimmt’s vielleicht nicht immer so genau, wenn es um das Geld der lieben Trauernden geht, aber selbst er würde keine solche Leichenfledderei
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