Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
möglicherweise das Doppelte, wenn sie mit den Lieferungen nachkommen.«
Der Leiter des Bestattungsunternehmens hatte inzwischen die Kopien für sie bereitgelegt. Er wirkte erleichtert, als Shapiro und Jake das Beerdigungsinstitut verließen, echauffierte sich dabei lautstark über BioRegen, die ihm mit ihrer verdammten Leichenfledderei das Geschäft verdarben.
Als sie wieder im Wagen saßen, wandte sich Shapiro Jake zu. »Lust auf einen weiteren Hausbesuch?«
Jake war überrascht. Steuerfahnder verließen nur selten ihren Schreibtisch, es sei denn, sie hatten sich am Papier geschnitten und mussten sich ein Pflaster holen. Das war einer der Gründe gewesen, warum er nicht gezögert hatte, als ihm ein Einsatz als strafrechtlicher Ermittler und dann später die Stelle beim FBI angeboten wurde. Shapiro hatte jedoch ganz offensichtlich viel Zeit in diesen Fall investiert, obwohl ihn seine Vorgesetzten längst offiziell davon abgezogen hatten. »Sie nehmen das sehr ernst?«
Shapiro nickte. »Wenn man einige dieser Familien kennengelernt hat – so wie die Thomsons, kann man nicht mehr anders. Das sind gute Menschen, die davon ausgingen, das Richtige zu tun, und die selbst in dieser für sie so schweren Zeit noch anderen helfen wollten.«
»Also, wo fahren wir hin?«
»Zu der Familie, die die erste Beschwerde über Bio-Regen eingereicht hat. Sie haben sich an sämtliche Stellen gewandt: Steuerbehörde, Bundeshandelskommission, Verbraucherschutz, Ärztekammer, sogar eine Zivilklage haben sie angestrebt. Ich war der Einzige, der sie ernst genommen hat.«
»Ging es bei ihnen auch um die Ausweidung eines verstorbenen Familienmitglieds?«
Shapiro antwortete nicht gleich. »Nein, ihnen geht es darum, dass ihre Tochter im Sterben liegt.«
Nach dieser dramatischen Ankündigung musterte Jake Shapiro noch einmal ausgiebig. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, dass der Mann sich gefühlsmäßig so stark auf einen Fall einließ. Doch dann fiel ihm wieder ein, warum er es Lynn damals richtig übel genommen hatte, dass sie ihn aus der Strafverfolgung gedrängt hatte: weil er nicht nur in der Steuerbehörde arbeitete, um Onkel Sam zu ein paar Pennys mehr zu verhelfen, sondern weil er es nicht ertragen konnte, dass bestimmte Menschen und Firmen sich über das Gesetz stellten. Dass sie sich ganz nach Belieben bereichern konnten und immer ungeschoren davonkamen.
Dieser Gerechtigkeitssinn hatte ihm durch die achtzehn Monate als verdeckter Ermittler bei den Reapers geholfen, in denen er täglich sein Leben riskiert hatte. Vielleicht waren er und Shapiro im Grunde gar nicht so verschieden.
»Was ist mit dem Mädchen?«, fragte Jake, während Shapiro aus Alexandria südlich Richtung Rose Hill fuhr.
»Haben Sie je von einer Krankheit namens Kuru gehört? War unter Kannibalen verbreitet.«
»Ich habe als Kind mal was darüber gelesen. Man steckt sich durch den Verzehr von Gehirn an, wird verrückt und stirbt. Eine ganz ähnliche Krankheit ist doch Creutzfeld-Jakob und auch BSE .« Er wusste noch, dass ihn diese exotische Krankheit fasziniert hatte, als er im National Geographic einen Artikel darüber gelesen hatte. Außerdem hatte sich vor einigen Jahren so ziemlich jeder Milchbauer im Staate Kansas mit diesem Krankheitsbild beschäftigt, weil sich im Nachbarstaat der Rinderwahn ausgebreitet hatte und sie alle verzweifelt auf der Suche nach einem Gegenmittel gewesen waren.
»Endgültig nachweisen lässt sich eine solche Gehirnerkrankung erst nach dem Tod, es gibt keinerlei Therapien, und Symptome treten oftmals erst Wochen oder Monate nach der Ansteckung, manchmal sogar erst Jahre oder Jahrzehnte später auf. Deswegen gibt es auch Beschränkungen, was Blut- und Gewebespenden aus bestimmten Ländern angeht.«
»Und das Mädchen hat aus einem dieser Länder eine Gewebespende erhalten?«
Shapiro bog in die Auffahrt eines schmucklosen Einfamilienhauses ein. »Da liegt das Problem. Niemand kann sagen, woher sie die Krankheit hat. Oder woher das Gewebe stammt.«
Klang nicht wirklich nach einem Fall, schon gar nicht nach einem, für den die Steuerbehörde zuständig wäre.
»Wenn die Krankheit dann ausbricht«, fuhr Shapiro fort, »kann es entweder ganz schnell gehen oder aber quälend lange dauern, während das Gehirn sich in Schweizer Käse verwandelt. Julia geht den zweiten Weg. Die ersten Symptome hatte sie im letzten Jahr. Aber so, wie sie inzwischen abbaut, wird es wohl nicht mehr lange dauern.« Er seufzte. »Was
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