Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
den Weg. »Nicht weiter als bis zum Hof.«
Michael und Maria gingen hinaus, die Räder des Rollstuhls glitten surrend über den Terrazzoboden des Flurs, der zu einem halbkreisförmigen Hof führte. Die Pergola über ihnen spendete Schatten, sie wurde von blumenumrankten Säulen getragen. In der Mitte plätscherte fröhlich ein Brunnen vor sich hin, von hier aus hatte man einen herrlichen Blick auf die Berge und den See. Das hintere Ende des Hofes ging in einen Garten über, hinter dem Maria ein weiteres Gebäude des weitläufigen Klinikgeländes erkennen konnte. Das schräg neben das Haupthaus gebaute, lang gezogene Gebäude war drei Stockwerke hoch. Trotz seines gelben Anstrichs und der vielen Fenster, die alle mit schmiedeeisernen Gittern versehen waren, wirkte es trostlos. Maria war froh, dass Michael sie für das Porträt so platzierte, dass ihr Blick in eine andere Richtung fiel.
»Hier entstehen meine besten Arbeiten«, sagte er. »Wie sehr ich das während der Monate, die ich im Haus gefangen war, vermisst habe!«
»Es tut mir leid, dass du so krank warst«, sagte Maria vorsichtig. Sie hatte wirklich Glück, weder sie selbst noch ihre Eltern oder ihre Freunde waren je ernsthaft krank gewesen. Einmal hatte eine ihrer Lehrerinnen wegen einer Krebserkrankung noch vor Schuljahrsende den Dienst unterbrochen; damals hatten sie alle Geld gesammelt, T-Shirts und ein Video für sie gemacht. Näher war Maria dem Tod nie gewesen. Bis sie mitansehen musste, wie Prescott erschossen wurde.
»Und mir tut es leid, dass du solch schreckliche Dinge erlebt hast, seit du hier angekommen bist. Ich wünschte, ich wäre genug bei Kräften, um dir eine richtige Tour durch unser abgelegenes Paradies zu geben.« Er hob die Hand und deutete auf die Berge, die über ihnen aufragten.
»Ich hoffe nur, dass Professor Zigler mich immer noch an dem Projekt mitarbeiten lässt. Ich habe die unglaublichste Entdeckung gemacht, als ich seine Satellitenbilder analysiert habe. Ich kann immer noch nicht fassen, dass sich ein ganzer Tempel im Dschungel verbirgt. Und dass ihn niemand zuvor entdeckt hat.«
Er blickte sie verwirrt an. »Der Tempel? Der liegt nicht weit von hier entfernt, wenn man dem Wanderweg über die Berge auf dieser Seite des Flusses folgt.«
»Aber … ich dachte, niemand weiß von ihm …« Sie stotterte vor Aufregung.
»Wir schon. Auch die Maya, die hier leben. Der Dschungel hat ihn überwuchert, deswegen ist er nicht leicht auszumachen. Aber wir wussten schon immer, dass es ihn gibt.«
Sie runzelte die Stirn. Warum hatte der Doktor das niemandem gesagt? Ein gebildeter Mann wie er sollte sich der wissenschaftlichen Brisanz einer solchen Entdeckung doch bewusst sein?
»Schau bitte nicht so betrübt«, sagte Michael, drehte sich mit seinem Rollstuhl und schnitt wilde Grimassen, um Maria wieder zum Lächeln zu bringen. »Na also, schon besser. Ich wünschte, mein Vater würde erlauben, dass ich dich dorthin bringe, zum Tempel. Neben dem Weg, der zum Eingang führt, stehen Steinhäupter, die größer sind als ich. Und da, wo nach einem Erdbeben Wasser hervorgedrungen ist, kann man Jadesplitter finden, manchmal sogar Goldplättchen. Oh, und es gibt diese wunderschöne Wandmalerei im Innern, mit dem herrlichsten Türkisblau, knalligem Rot und grellen Gelbtönen …«
Sie sank auf eine Steinbank. »Wieso haben du und dein Vater das nicht mit der Welt geteilt? Wir hätten ein historisch bedeutsames Bauwerk erhalten können. Das hätte der Schlüssel zu den vor Jahrhunderten verloren gegangenen Geheimnissen der Maya sein können.«
»Das sage ich meinem Vater auch immer. Er besteht jedoch darauf, dass der Tempel heilig sei und in Ruhe gelassen werden müsse. Nach dem Erdbeben habe ich diese Jade- und Goldbruchstücke gefunden, sogar ein paar Knochen, menschliche, wie ich vermute – und seither hat er mir sogar verboten, dorthin zurückzukehren.
»Aber dein Vater ist doch Wissenschaftler. Er weiß doch sicher um die Bedeutung einer solchen Ausgrabungsstätte.«
»Er sagte immer, die Bedeutung des Tempels für die hier lebenden Maya sei wichtiger. Und wie kommt dieser Professor von dir eigentlich dazu, plötzlich hier aufzutauchen und ihren heiligen Tempel zu plündern?«
Maria hob trotzig das Kinn, wenn Michael auch weder zornig noch wirklich vorwurfsvoll geklungen hatte – eher so, als genieße er es, mit ihr zu diskutieren. »Professor Zigler ist weltberühmt. Und die Regierung hat ihm eine Grabungserlaubnis …«
»Das
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