Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
die ich besucht habe, wurde viel Wert auf Kunstunterricht gelegt. Ich habe den Großteil meiner Kindheit in Europa verbracht«, erklärte er ihr. »Meine Mutter lebt nicht mehr und mein Vater war immer sehr stark in seine Arbeit eingebunden.« Auch ohne ihn zu sehen, konnte sie ein Achselzucken heraushören. »So habe ich immerhin die Welt gesehen, das war schön. Ich bin in Genf, London und sogar ein Jahr in Paris zur Schule gegangen.«
»Ich war immer nur in Florida.« Da Marias Eltern ständig berufsbedingt reisen mussten, wollten sie die Ferien immer zu Hause verbringen. Und es gab auch keine Verwandten, die sie besuchen konnten.
»Jetzt bist du ja hier«, sagte er fröhlich. »Und lernst die Welt kennen.«
Bislang hatte sie lediglich ein Kreuzfahrtschiff erlebt, mitangesehen, wie ein Mann getötet wurde und war durch den Dschungel um ihr Leben gerannt. »Wo wirst du studieren?«
»Yale.« Zum ersten Mal wich die Heiterkeit aus seiner Stimme. »Na ja, das hatte ich zumindest vor. Bis ich letztes Jahr krank geworden bin. Alle hatten die Grippe, also ging ich davon aus, dass es auch bei mir nichts Ernstes ist. Doch dann ging es allen besser, mir aber immer schlechter. Bin erst auf der Intensivstation wieder aufgewacht. Das Virus hatte mein Herz angegriffen.«
»Tut mir leid«, sagte sie und war sich bewusst, wie abgedroschen das klang. »Und dann warst du auch noch allein, so weit weg von zu Hause, das muss doch schrecklich gewesen
sein?«
»Wie schon gesagt, ich hatte ja nie wirklich ein Zuhause – hier war ich nur ein paar Mal zu Besuch in den Ferien gewesen. Und mein Vater, na ja, es ist dir sicher auch schon aufgefallen. In seinem Zustand kann er nicht mehr reisen.«
Sie nickte. Dr. Carreras Muskelzucken und das ständige Zittern mussten Symptome einer ernsthaften Erkrankung sein, wenn ihn das davon abhielt, seinen Sohn auf der Intensivstation zu besuchen. »Hat er Parkinson?«
»So etwas in der Art. Er spricht nicht gern darüber. In den letzten Monaten ist es deutlich schlimmer geworden …« Jetzt klang er leicht schuldbewusst. »Bestimmt wegen der zusätzlichen Belastung, sich um mich kümmern zu müssen.«
»Er liebt dich über alles«, sagte sie und hätte gerne seine Hand genommen, ihm gezeigt, dass das nicht seine Schuld war.
Michael räusperte sich und klang gleich wieder fröhlich. »Mein Zustand hat sich so weit gebessert, dass ich nach Hause zu meinem Vater verlegt werden konnte. Ginge es nach den Ärzten, müsste ich schon seit Monaten tot sein, aber sie kennen meinen Vater schlecht. Er ist dickköpfig. Und zumindest hatte ich so endlich Gelegenheit, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Das hat mir gefehlt, als ich jünger war.«
Maria senkte den Blick. Mit einem Mal schämte sie sich für ihren kindischen Wunsch, vor ihren Eltern und ihrer erdrückenden Fürsorge zu fliehen. Michael mochte die Welt gesehen haben, er hatte jedoch erst todkrank werden müssen, um seinem Vater nahezukommen.
»Am schlimmsten daran war, dass vor dem künstlichen Herz meine einzige Hoffnung darin bestand, dass jemand anders stirbt. Und mir so eine Transplantation ermöglicht. Aber jetzt fühle ich mich schon viel kräftiger. Und ich habe Berichte über Menschen gelesen, die bei guter Pflege jahrelang mit einem künstlichen Herzen gelebt haben. Also muss am Ende vielleicht doch niemand sterben.« Er streckte den Kopf neben der Leinwand hervor, um sie anzusehen. »Wäre das nicht wunderbar?«
22
»Wissen Sie, wie die Spanier Guatemala früher genannt haben?«, fragte Romero. » Tierra de guerra . Das Land des Krieges. Weil es ihnen einfach nicht gelingen wollte, die Achi-Maya zu unterwerfen. Seitdem hat sich eigentlich nicht viel geändert. Was wissen Sie über den Bürgerkrieg?«
»Nicht viel«, gab Caitlyn zu. Sie war mehr an Maria und ihrer Familie im Hier und Jetzt interessiert als an Geschichte. »Ich weiß, dass er in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu Ende ging, kurz darauf ist Hector mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten ausgewandert.«
Er rümpfte die Nase und verdrehte die Augen. »Solche Kriege enden niemals. Sie ändern lediglich ihre Gestalt.«
Romero bestellte sich ein Bier und für Caitlyn etwas, was sich als köstliches Fischgericht herausstellte. »Wissen Sie, womit alles angefangen hat? Obst. In den 1950ern befürchteten die amerikanischen Großhändler, dass die linke Regierung ihre Plantagen beschlagnahmen würde. Also beschloss die amerikanische Regierung in ihrer
Weitere Kostenlose Bücher