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Wenn der Wetterhahn kräht

Wenn der Wetterhahn kräht

Titel: Wenn der Wetterhahn kräht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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wiederzusehen. Was haben Sie
eigentlich mit unserer Wetterfahne vor, Helen?«
    »Ich wollte sie fotografieren, aber das
habe ich bereits erledigt«, gestand Helen. »Licht und Windverhältnisse waren
einfach ideal, als wir auf den Campus kamen, und Cat sagte, Sie hätten bestimmt
nichts dagegen, wenn ich sofort ein paar Bilder machte, also habe ich einfach
geknipst. Können Sie mir vielleicht etwas über die genaue Herkunft der
Wetterfahne sagen? Wie ist sie in den Besitz der Schule gekommen?«
    »Soweit ich weiß durch Zufall. Sie war
schon oben auf der Scheune, als Eliphalet Jackson, der Gründer unserer Schule,
besser bekannt unter seinem Spitznamen Old Hickory, das Land hier gekauft hat.
Wir sind zwar nicht so alt wie das Balaclava College, aber eine Geschichte
haben wir auch. Die Scheune ist das einzige, was von der Farm übriggeblieben
ist, die hier ursprünglich einmal gestanden hat. Das Wohnhaus und alle anderen
Außengebäude sind abgebrannt, daher hat Old Hickory das Grundstück auch so
günstig bekommen. Günstig bedeutete zu seiner Zeit sozusagen umsonst, anders
hätten wir es auch gar nicht geschafft.«
    Er holte ein altes Album mit
Zeitungsausschnitten und Klassenfotos hervor, auf denen Gruppen kleiner,
dunkler, stämmiger Männer zu sehen waren, die Helen an Bären erinnerten, die
Karohemden und dicke, dunkle Arbeitshosen trugen, die sie in ihre hohen
Schnürstiefel gestopft hatten. Jeder hatte seine Axt dabei.
    »Echte Waldarbeiter trennten sich
früher möglichst niemals von ihren Äxten«, erklärte Präsident Fingal. »Außerdem
legten sie großen Wert auf die Pflege. Sie haben so lange an den Griffen
geschmirgelt, bis sie genau ihren Vorstellungen entsprachen, und die Klingen
waren so scharf, daß sie sich damit hätten rasieren können, auch wenn es
wahrscheinlich nie jemand versucht hat. Wenn einer der Männer im Stockfinstern
eine Axt aufhob, wußte er sofort, ob es seine eigene war oder die eines
anderen. Er konnte es daran fühlen, wie sie in der Hand lag.«
    Er betrachtete ein weiteres
Klassenfoto. »Unsere Jungs haben immer ziemlich adrett ausgesehen. Vor Jahren
hat unser Schulschmied ihnen die Haare geschnitten und ihre Bärte mit dem
Mähnenkamm entwirrt. Inzwischen verfügen wir natürlich über richtiges
Friseurzubehör«, fügte der Präsident stolz hinzu. »Wir legen Wert darauf, mit
der Zeit zu gehen, auch wenn wir gelegentlich noch ein wenig hinterherhinken.
Die echten alten Holzfäller wirkten nach einem Winter in den Wäldern immer ein
klein wenig ungepflegt. Mein Großvater hat mir oft beschrieben, wie sie
aussahen, wenn sie im Frühling wieder auftauchten. Viele von ihnen waren Farmer
und haben sich nach der Ernte als Holzfäller verdungen. Höchstwahrscheinlich
eingenäht in ihre langen Winterunterhosen. Ehe sie die wieder ausziehen
konnten, hatten die Pferde ein langes Winterfell und die Männer Haare bis zu
den Schultern und Bärte bis zum Gürtel.«
    Er blätterte noch ein wenig weiter.
»Aha, ich wußte doch, daß ich irgendwo noch ein Bild davon habe. Das ist mein
Großonkel Mose. Sieht er nicht aus wie ein wildes Tier? Großvater hat das Bild
mit einer Klappkamera gemacht. Angeblich konnte man Moses Gesicht vor lauter
Dreck und Haaren kaum noch erkennen. Tante Laviney mußte ihn rasieren, ihm die
Haare schneiden und ihn in die Badewanne setzen, bevor sie eindeutig
feststellen konnte, daß sie den richtigen Ehemann zurückbekommen hatte. Was
nicht heißen soll, daß sie nicht auch mit dem einer anderen vorlieb genommen
hätte, nach allem, was ich so gehört habe.«
    Präsident Fingal schüttelte sein Haupt
und legte das Album wieder fort. »Die Männer trugen daran keine Schuld. Die
Holzfällercamps waren alles andere als luxuriös, wissen Sie. Einige waren bei
den Holzfällern recht beliebt, aber Großvater hat erzählt, daß Mose einmal in
einem Camp gelandet ist, wo das Bettzeug lediglich aus einer Lage Stroh auf dem
Boden und einer einzigen großen Decke bestand. Die Männer mußten sich angezogen
hinlegen, dann packten diejenigen, die an den Seiten lagen, die Decke und zogen
sie mit einem Ruck über die anderen. Vielleicht haben sie vorher die Stiefel
ausgezogen, aber eine Wette würde ich darauf nicht abschließen. Ich hoffe, ich
verletzte mit meinem ganzen Gerede nicht Ihren Sinn für Ästhetik, Cat.«
    Er grinste sie an, und sie grinste
zurück. »Sie sollten mich eigentlich besser kennen, Guthrie. So, ich glaube,
wir machen uns allmählich lieber wieder auf den

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