Wenn der Wetterhahn kräht
Hirsche werden von Autos angefahren, die armen Dinger, oder von Jägern
angeschossen, die schlecht schießen oder zu faul oder zu betrunken sind, um die
Tiere anschließend aufzuspüren. Ich finde natürlich nicht viele, aber ich esse
auch nicht viel. Das Fleisch trockne oder räuchere ich, auf die Weise habe ich
Vorräte für mehrere Monate. Meist verwerte ich es in Suppen und Eintöpfen. Am
liebsten würde ich auf rein vegetarischer Basis leben, doch wenn man sein Leben
wie ich verbringt, benötigt man natürlich auch Fette und Proteine.
Glücklicherweise habe ich heute morgen zufällig einen Pot-au-feu vorbereitet, damit ich heute abend nicht mehr zu kochen brauche. Wir wärmen es
auf, sobald das Feuer ein bißchen heruntergebrannt ist. Es hat keinen Zweck,
den Topf aufzusetzen, bevor wir nicht ein anständiges Kohlenbett haben. Ich
hoffe, Sie mögen Kermesbeeren? Man kann die Pflanze ohne Gefahr verzehren,
solange man nur die jungen Triebe nimmt, und darauf achte ich immer sehr
sorgfältig.«
»Außerordentlich klug von Ihnen«, sagte
Peter. Er fragte sich, ob der Binksche Apfelschnaps oder Slibowitz nicht
vielleicht auch Kermesbeere enthielt. »Wäre es sehr unhöflich von mir zu
fragen, was Sie veranlaßt hat, sich dieser — eh — alternativen Lebensweise
zuzuwenden?«
»Ganz und gar nicht. Ich habe es getan,
weil ich ein Leben in Kontemplation und Abgeschiedenheit vorziehe, und weil ich
für ein anderes Leben zu arm war. Von der Wohlfahrt zu leben oder irgendeine
Arbeit anzunehmen, die mir nicht liegt, lehne ich entschieden ab. Außerdem ist
es eine Möglichkeit, meinen Erbanspruch zu dokumentieren. Vermutlich haben Sie
von dem bizarren Ende meines Großvaters gehört, vor zehn Jahren waren ja
sämtliche Zeitungen voll davon. Ich will Ihnen offen gestehen, daß ich absolut
sicher bin, daß mein Großvater tot ist. Meiner Meinung nach war der arme alte
Kerl völlig überkandidelt, und der sogenannte Wissenschaftler, der ihn zu
diesem Experiment überredet hat, war in meinen Augen ein Mörder. Inzwischen ist
der Mann selbst gestorben, daher werden Sie meine Worte sicherlich ein wenig
hart finden. Man hat ihn in einem Kühlschrank drüben in Lumpkinton gefunden.
Vielleicht haben Sie davon gehört? Er war völlig von Kugeln durchlöchert.«
»Ich erinnere mich, daß unser
Polizeichef Ottermole den Fall einmal erwähnt hat«, sagte Peter. »Ich wußte
allerdings nicht, daß der Tote der Mann war, der Ihren Großvater eingefroren
hat. Polizeichef Olson hielt das Ganze für Selbstmord, wenn ich mich nicht
irre.«
Miss Binks stieß ein ausgesprochen
verächtliches Schnauben aus. »Ich war schon immer der Meinung, daß Olsons Frau
dahintersteckte. Sie ist selbst eine Binks, wenn auch nur um etliche Ecken, was
kaum die Arroganz rechtfertigte, die sie an den Tag zu legen pflegte, bevor
Großvater unseren Namen so schändlich der Lächerlichkeit preisgegeben hat. Ich
kann verstehen, daß sie ihren Mann überredet hat, den Fall diskret zu
behandeln, bevor die Zeitungen Wind vom Zusammenhang mit den Binks bekamen,
auch wenn ich der Meinung bin, daß sie damals ihre Kompetenzen ziemlich überschritten
hat. Ich selbst bin die einzige Binks aus der direkten Linie.«
»Dann hatten Sie also — eh — gewisse
Erwartungen?«
»Große Erwartungen, Professor.
Großvater hat es mir selbst zugesagt, bevor er sich mit diesen
Tiefkühlfanatikern eingelassen hat. Nach dem jetzigen Stand der Dinge kann das
Testament erst eröffnet und rechtwirksam werden, wenn er offiziell für tot
erklärt ist. Diese Information habe ich teuer bezahlen müssen. Die
Gerichtskosten können einen Menschen noch genauso in den Ruin treiben wie eh
und je. Ich hätte an Dickens und Trollope denken sollen.«
Sie schüttelte sich ausgiebig, wie ein
Hund, der gerade aus dem Wasser kommt. »Tja, aus und vorbei, nichts zu machen.
Ich habe mich selbst ins Unglück gestürzt und seither versucht, mich am eigenen
Schopf wieder herauszuziehen. Mein erster Gedanke war, Großvaters Haus zu
besetzen, aber jemand hat es niedergebrannt, bevor ich die Gelegenheit hatte
einzuziehen. Vielleicht ganz gut so. Man hätte mich sicher erwischt und
hinausgeworfen oder sogar ins Gefängnis gesperrt, und meine liebe Cousine um
zwei Ecken hätte einen weiteren Skandal vertuschen müssen. Daher habe ich mich
lieber in den Untergrund zurückgezogen. Oder in die Baumkronen, wie in Ihrem
Fall. Ich habe schon manche laue Sommernacht in meinem hohen Horst verbracht,
doch ich
Weitere Kostenlose Bücher