Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
bereits eingespannt. Bis auf ein paar Silbersträhnen in seinem honigblonden Haar hatte sich Adrian nicht verändert seit dem letzten Mal, als Julian ihm gegenübergestanden hatte. Seine Hände, mit denen er die Waffe hielt, waren ruhig, der Ausdruck in seinen blau-grünen Augen so entschlossen wie in ihrer Kindheit, wenn sie Ritter und Soldaten spielten.
    Alastair Larkin bewegte sich wie ein Schatten hinter ihm. Seine Stirn zierte eine Beule von beachtlichen Ausmaßen. Hinter sich her zerrte er an seinem Kragen einen verlegen wirkenden Cuthbert.
    »Ich habe versucht, sie aufzuhalten, Julian«, beteuerte Cubby. »Ich habe die Sandsäcke auf sie fallen lassen, genau wie du es gesagt hast, aber sie kamen wieder zu sich, ehe ich sie fesseln konnte. Du hast ja selbst oft erklärt, ich könnte meine Krawatte zu keinem anständigen Knoten binden. Ich hatte Angst, sie seien Irre, die aus Bedlam entsprungen sind. Sie haben die ganze Zeit wirres Zeug erzählt, von Vampiren und anderem Unsinn. Als wir dann den Knall hörten, fürchtete ich schon das Schlimmste, und ...«
    Larkin schüttelte Cuthbert heftig, worauf er verstummte.
    Julian stand da, während ihm die nächtliche Brise durch das Haar strich, und schaute seinen Bruder an, ohne eine Miene zu verziehen. Seit dem Tag, da Duvalier ihm die Seele gestohlen und ihn zu einem Vampir gemacht hatte, hatte er gewusst, dieser Augenblick würde eines Tages kommen. Vielleicht hatte Portia Recht gehabt. Vielleicht war er nach London gekommen, weil er wusste, es wäre sinnlos, das Unvermeidliche weiter aufzuschieben.
    Er rechnete fest damit, dass sie zur Seite gehen würde, damit Adrian ein leichteres Ziel in ihm fand. Aber zu seiner Überraschung stellte sie sich vor ihn, sodass sich ihr Körper zwischen seinem Herzen und dem tödlichen Geschoss befand.
    »Er hat die Frauen nicht umgebracht, Adrian. Das war sie. Sie war es, die ...« Portia drehte sich mit anklagend ausgestrecktem Finger um, aber ihre Stimme brach ab.
    Der Lichtkreis unter der Laterne war leer. Valentine war so schnell und unbemerkt verschwunden, wie sie vorhin aufgetaucht war.
    Portia blinzelte verwundert, aber Julian war nicht im Geringsten erstaunt über ihr Entschwinden. Valentine hätte keine mehr als zweihundert Jahre überdauert, sogar eine beinahe tödlich endende Begegnung mit der Guillotine während der französischen Revolution unbeschadet überstanden, wenn sie nicht einen gesunden Selbsterhaltungstrieb besäße.
    »Aber vor einer Sekunde stand sie doch noch da!«, rief Portia hilflos, wandte sich wieder zu Adrian um. »Du hast sie doch gesehen, oder?« Flehentlich schaute sie zu Larkin. »Du musst sie doch gesehen haben, oder?«
    Der Blick, den Adrian ihr zuwarf, war sowohl zärtlich als auch mitleidsvoll. »Ich weiß, du empfindest viel für meinen Bruder, Portia. Aber du kannst ihn unmöglich länger beschützen.«
    »Du hast vollkommen Recht. Ich empfinde eine Menge für ihn.« Sie begann an den Fingern abzuzählen: »Da ist Verachtung, Abscheu, Abneigung.«
    »Mir scheint, die Dame protestiert gar viel«, murmelte Julian halblaut.
    »Trotz meiner Empfindungen«, fuhr sie unbeeindruckt, aber mit einem mörderischen Blick über die Schulter zu ihm fort, »werde ich nicht zulassen, dass er für Verbrechen hingerichtet wird, die er nicht begangen hat.«
    Adrian schüttelte den Kopf. »Du vergisst etwas. Ich weiß, dass du von klein auf ein Talent für Schauspielerei hattest. Wie kann ich sicher sein, dass das hier nicht einfach ein weiterer Trick ist, ihm zur Flucht zu verhelfen?«
    »Oh, diesmal ist es ihr Ernst«, versicherte ihm Julian. »Sie hat mich sogar erschossen.«
    Adrian und Larkin blickten sich ungläubig an, ehe sie im Chor riefen: »Sie hat dich erschossen?«
    »Sie hat dich erschossen?«, wiederholte Cuthbert schwach und blinzelte wie eine verwunderte Eule.
    »Genau durchs Herz hat sie geschossen«, antwortete Julian stolz. »Wenn ich lebte, wäre ich jetzt tot statt untot.«
    »Ich bin sicher, ich bin nicht die erste Frau, die auf dich schießt«, zischte Portia. »Vermutlich muss man sich für das Vergnügen am Ende der Schlange anstellen — drüben in Covent Garden. Wie du sehen kannst«, sagte sie zu Adrian, »musst du dir nicht länger Sorgen machen, dass mein Urteilsvermögen durch Sentimentalität beeinträchtigt ist.«
    Adrian trat einen Schritt näher, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. »Trotz aller Gegenbeweise willst du von mir, dass ich glaube, Julian sei

Weitere Kostenlose Bücher