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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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dunklen, anmutig gewölbten Augenbrauen stärker hervortreten. Sie hatte ihre Zofe angewiesen, ihr das Haar aus dem Gesicht zu frisieren und mit zwei Perlmuttkämmen seitlich am Kopf festzustecken, während die Locken frei über ihren Rücken fielen. Der fremde Stil betonte ihren Haaransatz und die hohen Wangenknochen, die normalerweise unter weichen Löckchen verborgen waren; beides ließ sie älter und erfahrener aussehen.
    Zu ihrem bleichen Gesicht und dem gepuderten Dekolleté wirkte ihr schimmernd schwarzes Seidenkleid geradezu dekadent. Das kunstvoll geraffte Oberteil war tief ausgeschnitten und ließ die Schultern frei, was ihrem Hals schwanengleiche Anmut verlieh, die von dem schwarzen Samthalsband unterstrichen wurde.
    Ihre Augen glitzerten in fieberhafter Erregung, sodass sie selbst für ihre eigenen Augen irgendwie fremd erschien. Seltsamerweise hatte sie sich nie lebendiger gefühlt oder ausgesehen.
    »Der Tod steht dir gut, Liebes.«
    Bei dem rauchigen Flüstern fuhr Portia herum und entdeckte Julian hinter sich. Das billigende Funkeln seiner Augen war nicht zu übersehen. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, rasch noch einen Blick in den Spiegel zu werfen, konnte aber unheimlicherweise nur ihr eigenes Spiegelbild sehen.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Julian zu, versuchte nicht zur Kenntnis zu nehmen, wie schneidig er aussah in seinem frischen weißen Hemd mit den Rüschen, die unter seiner eleganten schwarzen Seidenweste und seinem Rock hervorlugten. Ein Paar elfenbeinfarbener Hosen umschloss seine schlanken Hüften und endete über schwarzen Lederstiefeln, die poliert waren, bis sie glänzten.
    Sie zog seine makellos gebundene Krawatte in — wie sie hoffte — schwesterlicher Manier zurecht. »Ich nehme nicht an, dass du Wilbury Tipps gibst, wie man sich unbemerkt an andere heranschleicht, um sie zu Tode zu erschrecken, oder?«
    »Sei nicht albern. Schließlich hat der alte Schleicher mir alles beigebracht, was ich darüber weiß.«
    »Das habe ich gehört!« Die zittrige Stimme kam aus einem Zimmer in der Nähe.
    Den Kopf schüttelnd, drehte sich Portia erneut zum Spiegel um. »Ich denke, diese Aufmachung steht mir. Möglicherweise habe ich eine angeborene Vorliebe fürs Böse.«
    »Das habe ich lange schon vermutet«, antwortete er mit unüberhörbarer Belustigung in der Stimme.
    Sie wickelte sich eine Locke um den Finger. »Aus dir spricht die Eifersucht, weil du dein eigenes Spiegelbild nicht bewundern kannst. Mit einem so hübschen Gesicht hast du früher ganz bestimmt Stunden vor dem Spiegel zugebracht, ehe du ein Vampir wurdest.«
    »Nachdem ich dich getroffen hatte, brauchte ich keinen Spiegel mehr. Jedes Mal, wenn ich dir in die Augen sah, konnte ich in ihnen alles lesen, was ich über mich wissen musste.«
    Portias erschreckter Blick glitt dorthin, wo sein Spiegelbild hätte sein müssen. Als sie endlich ihre Gedanken geordnet hatte und sich zu ihm umwandte, griff er gerade in seine Rocktasche und holte eine Glasflasche hervor.
    »Ich vermute, das ist kein Weihwasser«, erklärte sie, als er den zierlichen Stöpsel herauszog. Der schwere Duft von wilden Orchideen stieg ihr in die Nase, so sinnlich, dass sie sich allein vom Einatmen schon berauscht fühlte.
    »Das hier soll dir helfen, deinen eigenen Geruch zu überdecken.« Er hob die Flasche und benetzte die Spitze seines Zeigefingers. »Wenn es irgendetwas gibt, das ein Vampir riechen kann, dann ist das frischer Mensch.«
    »Wie rieche ich für dich?«, erkundigte sie sich ehrlich neugierig.
    Er tupfte etwas von dem Parfüm in die flache Kuhle an ihrem Halsansatz; die Augen hatte er halb geschlossen, sodass sie in ihnen nicht lesen konnte. »Du duftest wie Blaubeertörtchen frisch aus dem Ofen, süß und knusprig, sodass man es kaum erwarten kann, hineinzubeißen.« Seine Berührung war unpersönlich und kurz, als er ihr ein paar Tropfen hinter die Ohren tupfte. »Du duftest wie Sonnenlicht, das die voll entfalteten Blütenblätter einer Rose wärmt.« Kühn verteilte er mit dem Finger das Orchideenparfüm auf den Spalt zwischen ihren Brüsten. Seine Nasenflügel blähten sich, als könnte selbst der schwere künstliche Duft ihren eigenen Geruch nicht wirklich überdecken. »Du riechst wie eine Frau ...« — er schaute ihr tief in die Augen — »..., die einen Mann braucht.«
    Was Portia in dieser Minute brauchte, war ein tiefer Atemzug frischer Luft für ihre dürstenden Lungen. Aber ehe sie ihn nehmen konnte, hatte er

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