Wenn die Liebe dich findet
könnte versuchen, ihn umzubringen, und wahrscheinlich hätte ich das auch getan. Er bezahlte für deine Schulausbildung. Ich hätte mir das Internat nicht leisten können. Fast hätte ich die anonyme Botschaft weggeworfen, in der stand, dass deine gesamte Ausbildung schon bezahlt war, und außerdem der Name der Schule, die dich schon erwartete.«
»Und, warum hast du nicht?«
»Weil ich nicht dir schaden wollte, nur weil ich ihn hasste. Außerdem überzeugte deine Tante mich, dass es das Beste für dich ist. Das, was du dort lernen, und die Kontakte, die du knüpfen konntest, würde dir Zugang zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen verschaffen. Und um ehrlich zu sein, hatte ich das Gefühl, er sei es dir schuldig, wenn er schon nicht an deinem Leben teilhaben wollte.«
Devin konnte noch immer nicht glauben, dass Lawrence Wolseley nicht sein Vater war. Seine Mutter hatte ihn angelogen. Warum hätte sie nicht auch seinen Bruder anlügen sollen? Und das alles nur, um den Bastard zu schützen, den sie so sehr liebte, dass sie für ihn ihre Familie verlassen hatte, ihre gesamte Familie! Eines Tages würde er Wolseley zur Rede stellen. Aber er wollte seinen Onkel nicht weiter mit diesem Thema behelligen, für das es keine Lösung gab – noch nicht.
Fünf Jahre lang war er so beschäftigt mit der Führung von Donalds riesigem Anwesen, dass ihm nicht viel Zeit blieb, um über diese ungelöste Angelegenheit nachzudenken. Donald hatte ihm nicht nur die gesamte Farm übertragen, er war auch endgültig mit Lydia von Lancashire fortgezogen! Sie wollten noch auf Reisen gehen, bevor sie zu alt dafür waren, und das taten sie auch, drei Jahre lang. Aber Lydia wollte wieder in der Stadt leben, in der sie geboren und aufgewachsen war, in London. All ihre alten Freundinnen waren noch hier und hatten sie jahrelang bekniet zurückzukehren. Sie hatte in der Stadt Hunde gezüchtet, aber sie war auch eine exzellente Trainerin. Ihr Talent war in London nun sehr gefragt. Und Donald hatte wieder mit dem Malen begonnen.
Devins Onkel und Tante lebten nun seit vier Jahren in London – Devin erst halb so lange –, und sie waren glücklich dort, vor allem jetzt, da Devin wieder bei ihnen lebte. Das war der wahre Grund, warum er das Wohnhaus auf dem Gestütsgelände noch nicht repariert hatte.
Das Stadthaus seines Onkels war sehr hübsch gelegen, am westlichen Ende der Jermyn Street, nicht weit entfernt vom St. James Square und südlich vom Piccadilly, wo die Bond Street direkt anschloss. Sein täglicher Ritt von und zu der Farm war also nicht lang.
Er brachte sein Pferd selbst im Stall an der Ecke unter, statt es einem von Donalds Bediensteten zu übergeben. Die Straße war so ruhig und schön, dass er den kurzen Spaziergang immer sehr genoss, auch wenn die Bäume, die die Straße säumten, wie jetzt kahl waren.
Er hielt vor der Treppe, die zum Haupteingang des Hauses führte, blickte auf den Häuserblock daneben, in dem sich das Stadthaus seiner Mutter befand, und musste wieder an sie denken. Er hatte nie wieder einen Fuß in das Haus gesetzt und hatte es auch nicht vor. Alle Möbel waren verkauft, die persönlichen Dinge seiner Mutter verpackt und im Speicher in Lancashire verstaut. Er hatte auch nie in diese Koffer geschaut. Sie war erst sechsundzwanzig Jahre alt gewesen, als sie starb, seine wunderschöne Mutter. Sie hätte noch heiraten und ein ganz normales Leben führen können. Aber sie tat es nicht, weil sie immer noch in diesen Bastard Lawrence Wolseley verliebt war. Bis zum heutigen Tag begriff Devin nicht, warum. Liebe, ihre Erklärung, stellte keinen guten Grund dar, um sich das Leben zu ruinieren. Vielleicht lag es einfach daran, dass Wolseley für ihren feinen Lebensstil aufgekommen war. Sie hatte Bedienstete, schicke Kleidung, Schmuck besessen, sogar Ersparnisse, die Donald ihm überreicht hatte. Er hatte sie nicht abgelehnt. Das Geld hatte ihm ermöglicht, die neue Farm zu gründen, die sich jetzt von selbst trug. Und er hatte inzwischen reichlich Pferde, die ihm gehörten. Er musste sie nicht alle für die Zucht behalten, also würde er endlich auch bald Gewinn machen. Und er hatte eine neue Geldquelle entdeckt, in Form von Ophelia Locke.
Devin fand seine Tante im Salon. Sie war gute zehn Jahre jünger als Donald, immer noch von schlanker Figur, und keine graue Strähne durchzog ihr schwarzes Haar. Sie hatte zwei Gäste, wobei es sich bei dem einen wahrscheinlich um eine Kundin handelte, dachte er, da sie
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