Wenn die Liebe erwacht
standhalten! Sie hatte nie auch nur eine Chance gehabt, und daher würde es auch für Calveley keine geben.
Als Richer Rolfe d’Amberts Augen sah, wußte er augenblicklich, warum er ihn aufgesucht hatte. Er opferte einen Moment dafür, die treulose Lady zu verfluchen, die ihn den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hatte. Aber er hatte schon damals, als sie ihm befohlen hatte, Lord Williams Tochter zu schlagen, gewußt, was das nach sich ziehen konnte.
Er hatte dieses Erlebnis ausgekostet, weil sie eine hoch-gestellte Dame war, aber ihr Status war zugleich auch das, was ihm zum Verhängnis wurde. Es gab nicht einen Lehnsherrn im ganzen Königreich, der gezögert hätte, ihn dafür zu töten, daß er die Hand gegen eine Dame erhoben hatte. Und hier war der Mann dieser Frau.
Richer spürte, daß ihm der Schweiß ausbrach, und er fragte sich, wie ihn der Tod ereilen würde, denn Tod war das, was er in den Augen des Lords sah. Sein Ende konnte in der schlimmsten Form über ihn kommen, die man sich nur vorstellen konnte, als Folterqualen, die eine Ewigkeit dauerten. Niemand würde das verhindern. Er war von Männern umgeben, die seinen Befehlen Folge leisteten, und doch hätte es nicht einer von ihnen gewagt, einem Mann zu trotzen, der Rolfe d’Amberts Rang hatte. Es war ein ekelerregendes Gefühl, zu spüren, wie die Angst sich seiner Eingeweide bemächtigte, und er wußte, daß es nichts gab, um das aufzuhalten, was jetzt mit ihm geschehen würde.
»Richer Calveley?« Rolfe wartete keine Bestätigung ab, denn er konnte die Angst des Mannes riechen. Seine Stimme war seltsam ausdruckslos, und daher klang alles nur noch unheilverkündender. »Für das, was Sie meiner Frau angetan haben, bringe ich Sie jetzt um. Ziehen Sie Ihr Schwert.«
Es dauerte einen Moment, bis Richer begriff, welches Glück er hatte, und doch wurde ihm ganz schwindlig, als ihm klar wurde, daß sein Tod keine langwierige, qualvolle Angelegenheit würde. Der Lord von Kempston hatte ihm einen fairen Kampf angeboten, mehr als das sogar, denn er trug keine Rüstung, und Richer hatte durch sein dickes Lederwams zumindest einen gewissen Schutz.
Richer hatte die Chance, zu siegen, eine gute Chance sogar, aber irgendwo in seinem Kopf hatte sich die Vorstellung festgesetzt, daß er sterben würde, und das beraubte ihn seiner Chancen, arbeitete gegen ihn und unterminierte seine Geschicklichkeit im Umgang mit dem Schwert. Als er es in der Hand hielt, fuchtelte er wild damit herum.
Rolfes Schwert fand bei seinem ersten Hieb mühelos sein Ziel und schnitt glatt durch Fleisch und Knochen, um das Herz zu durchbohren. Kein Funken Mitleid regte sich in Rolfes Brust, und er bedauerte nicht, diesen Mann getötet zu haben. Vor seinem geistigen Auge stand das Bild seiner Leonie, die unter diesen brutalen Händen litt. Er wandte sich ab und ging fort, ehe Calveleys massiger Körper auf dem Boden zusammengebrochen war.
42. KAPITEL
Auf der Weide blühten sommerliche Blumen, und die Nachmittagssonne wärmte die Luft. Im Gegensatz dazu lag der Wald, von dem die Weide umgeben war, dunkel und still da. Er konnte die acht Männer und ihre Pferde mühelos verbergen.
Als Alain Montigny in ihre Richtung sah, war er zufrieden, weil seine sieben Männer nicht zu sehen waren. Sie bildeten sein Gefolge, eine Schar von zerlumpten Dieben und Rittern ohne Land wie er selbst, und er bezahlte sie von dem Geld, das der Verwalter von Crewel für ihn unterschlagen hatte. Aber dieses leicht zu beschaffende Geld war nicht mehr zu haben, seit man Erneis auf die Schliche gekommen war. Alain hatte sich seiner eilig entledigt, da er ihm jetzt nicht mehr von Nutzen war. Es wurmte ihn immer noch, daß Leonie diejenige gewesen war, die Erneis bei seinen Unterschlagungen ertappt hatte.
Alain brauchte jetzt dringend Geld. Die wenigen Reisenden, die seine Männer und er ausgeraubt hatten, hatten nur wenig in ihren Geldbeuteln bei sich getragen, und das Geld reichte nicht aus, um seine Horde zu ernähren. Die Männer wollten zu den stärker befahrenen Wegen im Süden weiterziehen, aber Alain hatte seine persönlichen Gründe dafür, dort zu bleiben, wo er war. Er hatte nicht die Absicht, weiterzuziehen, ehe sich ihm die Gelegenheit bot, den Mann zu töten, der für diese Wende seines Glücks zum Schlechten verantwortlich war. Es war ihm nahezu gelungen, als er die Mühle von Crewel in Brand gesteckt und sein Opfer an einen Ort gelockt hatte, von dem aus es ein gutes Ziel bot. Leider hatte er Pech
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