Wenn die Liebe erwacht
mir im Umgang mit meinen anderen Nachbarn helfen. Dazu kommt, daß sie auch ein Gefolge hat. Ich habe eine Gefolgschaft von neun Rittern, aber einigen liegt das Befehlen nicht, und ich brauche Männer, die die anderen sieben Festungen halten.«
»Ich kann deinen Argumenten folgen, Rolfe, aber ich möchte eine Frau für dich finden, die mindestens die Hälfte deiner Zwecke erfüllt und gleichzeitig ein erfreulicher Anblick ist.«
Rolfe zuckte die Achseln. »Frauen wie Amelia gibt es immer.«
Das konnte Heinrich gut verstehen. Er lebte in aller Offenheit mit Prinzessin Alice von Frankreich zusammen. Solange ein Mann seine Mätresse hatte, was für eine Rolle spielte dann das Aussehen seiner Frau? Das stimmte schon.
»Nun gut«, räumte Heinrich ein. »Willst du lediglich meine Genehmigung einholen?«
»Mehr als das, Eure Majestät. Ich habe um das Mädchen angehalten und bin abgewiesen worden. Ohne jede nähere Erklärung.«
»Er will seiner einzigen Tochter einen Ehemann versagen?« brummte Heinrich. »Bei Gott, in drei Wochen ist sie dein. Ich werde auf der Stelle das Aufgebot aushängen lassen, und meine Boten werden Sir William morgen aufsuchen.« Dann fragte er in einem weniger bekümmerten Tonfall: »Aber bist du dir auch sicher, daß du es so haben willst, Rolfe? Du hast keine Bedenken gegen diese Ehe?«
Natürlich hatte er Bedenken, aber das war der falsche Ort, um sie zu äußern. »Ich bin mir sicher«, erklärte er, und Heinrich grinste. »Dann wird es dich freuen, zu hören, daß die Dame die Alleinerbin von Sir William ist, und Montwyn ist, soweit ich mich erinnere, fünf Rittergüter wert. Außerdem war sie die Alleinerbin ihrer Mutter, die ihr drei Burgen hinterlassen hat.« Jetzt kicherte Heinrich. »Der Vasall von Rethel hat sechs Söhne, die dir noch nützlich sein könnten. Zudem ist Lady Leonie die Nichte des Earl von Shefford, und es gibt noch andere Onkel und Tanten, von denen die meisten gut dastehen. Es kann einem Mann nicht schaden, gute Beziehungen zu haben, was?«
Rolfe war schockiert. Sie war die Erbin einer weit größeren Mitgift, als er gewußt hatte, und zudem hatte sie hochgeborene Verwandte. Er vermutete, all das hätte ihn freuen sollen, aber er hatte sie für eine einsame Frau gehalten und fing jetzt an, sich zu fragen, ob sein Zorn ihn dazu gebracht hatte, sich auf mehr einzulassen, als er gewollt hat.
5. KAPITEL
Lady Judith wußte nicht, warum Rolfe d’Ambert Leonie heiraten wollte. Sonst wäre sie wütend gewesen. So, wie die Dinge standen, war Judith in einem Zustand, der an Hysterie grenzte.
Sie hatte es vor sich hergeschoben, William über den Befehl des Königs zu informieren, weil sie gehofft hatte, etwas würde dazwischenkommen und die Heirat verhindern. Aber heute war der Tag vor der Hochzeit, und sie war in Panik.
Sie saß auf dem erhöhten Podium des Saales am Tisch und wartete darauf, daß William sich zu ihr gesellen würde, denn sie hatte einen Dienstboten geschickt, um ihn wecken zu lassen. Es war früh am Morgen und weit vor der Zeit, um die William gewöhnlich aufwachte. Sie betete, sein abgestumpftes Gehirn würde sich gerade so lange ermuntern, daß er bei klarem Verstand war und begriff, was sie ihm sagte, aber kein bißchen länger. Wenn er über einen längeren Zeitraum nüchtern war, würde er alles gefährden, was sie im Lauf der Jahre erreicht hatte. Wenn William je erkannte, was sie getan hatte, würde er sie umbringen.
Judith verweilte nicht lange bei diesem Gedanken. Sie wußte, daß sie, wenn sich ihr die Chance geboten hätte, die Zeit zurückzudrehen, nichts anders gemacht hätte.
William hatte alle ihre Träume zerstört. Er war aus Kummer über den Verlust Elisabeths sinnlos betrunken gewesen, und als er aus seiner Benommenheit erwacht war, hatte er festgestellt, daß Judith das ausgenutzt und ihn zu einer Eheschließung überlistet hatte. Dafür hatte er sie fast totgeschlagen, eine kleine Narbe auf ihrer linken Wange war zurückgeblieben. Das würde sie ihm nie verzeihen.
Die Eitelkeit war ihre Sünde und ihr Verderben. Sie war so sicher gewesen, daß William sie als seine Ehefrau akzeptieren und glücklich mit ihr sein würde. Schließlich war sie vor sechs Jahren eine schöne junge Frau gewesen, der es lediglich an einer Aussteuer gemangelt hatte. Ihre hohen Backenknochen, ihre grünen Augen, die wie Edelsteine schimmerten, und ihr dichtes dunkelblondes Haar unterschieden sie von den meisten Frauen. Viele Männer hatten sie
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