Wenn die Liebe erwacht
konnte so nicht leben, beim besten Willen nicht.
Als sie zögernd ihr Zimmer verließ, um ein Dienstmädchen zu bitten, ihr ein Bad einzulassen, stellte sie fest, daß Amelia immer noch da war und die Rolle der Hausherrin in der Burg spielte. Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Sie würde fortgehen. Sollte Rolfe doch versuchen, sie wieder zu holen!
Sie packte, nahm aber nur eine Kiste mit, damit es nicht auffiel und befahl, die Kiste nach unten zu bringen. Genau so weit kam sie. Sir Evarard hatte Anweisung, ihr eine fünfzehnköpfige Eskorte mit auf den Weg zu geben, falls sie die Burg verlassen wollte. Die Männer sollten bis zu ihrer Rückkehr nicht von ihrer Seite weichen. Evarard widerstrebte es zutiefst, so viele Männer von Crewel abzuziehen, wenn es sich nicht um einen dringenden Notfall handelte. Das Heer war geschwächt, teilte er ihr mit, da alle überzähligen Männer mit Rolfe ausgezogen waren. Er weigerte sich heftig, sie fortgehen zu lassen.
Als Leonie Amelia fand, kam sie ohne Umschweife auf ihr Anliegen zu sprechen. »Ich gehe fort und werde nicht zurückkommen, ungeachtet jeglicher Beweggründe. Paßt Ihnen das nicht gut, Amelia?«
Die ältere Frau war zu erfreut, um zu heucheln. »Das paßt mir ganz ausgezeichnet.«
»Das dachte ich mir. Dann würden Sie mir wohl auch behilflich sein? Sir Evarard will die Männer nicht fortgehen lassen, die Rolfe zu meiner Eskorte bestimmt hat. Er scheint Ihnen recht gewogen zu sein. Könnten Sie ihn dazu bringen, es sich anders zu überlegen? Sagen Sie ihm, daß ich höchstens zwei Stunden brauche.«
»Aber wenn die Männer hier gebraucht werden …«
»Sie werden zurückkommen, sowie ich sicher in Pershwick gelandet bin«, versicherte ihr Leonie.
»In Pershwick? Aber dort wird Rolfe sie finden. Könnten Sie nicht lieber England verlassen?«
Leonie seufzte angewidert. »Ich habe nicht die Absicht, mich zu verstecken, Amelia. Es spielt keine Rolle, ob Rolfe mich findet oder nicht, da Pershwick ihm die Tore nicht öffnen wird.«
»Oh.« Amelia lächelte. Das war noch besser als alles, worauf sie gehofft hatte. Wenn Rolfes Frau ihre Krieger gegen ihn antreten ließ, würde das ihre Beziehung für alle Zeiten zerstören. Er würde sie nicht mehr bei sich haben wollen. »Evarard überlassen Sie mir«, sagte sie.
Evarard gestattete Leonie, Crewel zu verlassen, doch seine saure Miene zeigte deutlich seinen Widerstand.
Der sonst so kurze Ritt nach Pershwick kostete mehr Zeit, weil sie den Gepäckwagen mit Leonies Truhe bei sich hatten. Als sie endlich eintraf, mußte sie feststellen, daß Sir Guibert nicht da war. Das war Leonie um so lieber, denn er würde ihren Schritt mißbilligen, das wußte sie, und es hätte sogar sein können, daß er versuchte, sie daran zu hindern. Er konnte nicht mehr viel tun, wenn er zurückkehrte und vor vollendeten Tatsachen stand, nachdem sich Leonie in Pershwick verschanzt hatte.
Sie erteilte persönlich die Anweisungen zur Verteidigung der Burg. Ihre Eskorte hätte angesichts dieser Aktivitäten Verdacht schöpfen können, doch Leonie hielt sich von den Männern fern, und sie konnten nichts mehr unternehmen, als sie endlich Verdacht schöpften. Die Hauptvorbereitungen waren abgeschlossen, als sie die Männer aus der Burg bringen ließ und ihnen lediglich erklärte, sie würde nicht nach Crewel zurückkehren.
Tante Beatrix war mitfühlend. Wilda dagegen erhob überraschend Einwände. Sie fand es empörend, daß Leonie Amelia Rolfe kampflos überlassen wollte. Wenn es um Amelia ging, reagierte sie recht heftig, und es stellte sich heraus, daß Amelia diejenige gewesen war, die befohlen hatte, daß man sie und Mary aus Crewel fortwies. Wenn Amelia faule Tricks anwenden konnte, um alles zu erreichen, was sie wollte, warum sollte Leonie ihr dann nicht etwas von ihrem eigenen Kampfgeist zeigen? Sie sorgte dafür, daß Wilda alle Hände voll zu tun hatte, damit sie gar nicht erst zum Reden kam.
Mit Sir Guibert konnte sie nicht so umspringen. Als er an diesem Abend eintraf und ihre Pläne vernahm, war er wütend. Er fand sie im Saal und sah sie finster an, als er auf sie zukam.
»Sind Sie von Sinnen?« herrschte er Leonie an, ohne sie auch nur zu begrüßen. »Sie wollen Krieg gegen Ihren eigenen Gemahl führen? Ich kann nicht …«
»Nicht Krieg«, unterbrach ihn Leonie. »Ich weigere mich lediglich, weiterhin mit ihm zusammenzuleben.«
»Das können Sie nicht tun!« platzte Guibert heraus. »Gott sei Ihnen gnädig, Leonie, er
Weitere Kostenlose Bücher