Wenn die Liebe erwacht
geschwängert hatte. Und das mußte schnell passieren. Wenn sie ihre Monatsblutung bekam, konnte sie ebensogut gleich aufgeben, denn Rolfe war nicht dumm. So wie die Dinge standen, mußte sie eine verspätete Geburt vortäuschen, falls sie schwanger würde.
Sie versuchte, dem Schwirren ihrer Gedanken Einhalt zu gebieten. Ja, sie mußte sich schwängern lassen. Eventuell würde sie sogar gezwungen sein, der Schwangerschaft ihren Lauf zu lassen, es sei denn …
Leonie mußte etwas von dem Kind erfahren. Amelia konnte es in ein Gespräch einfließen lassen, als sei es ihr versehentlich entschlüpft, und dann mußte sie Abstand halten und abwarten, was diese Neuigkeiten in der Beziehung zwischen dem Herrn und der Dame des Hauses auslösten. Leonies Stolz konnte vielleicht verhindert haben, daß sie Rolfe zur Rede stellte, wenn er eine Mätresse in seinem Haus leben ließ, aber es war etwas ganz anderes, wenn sie ihm ein Kind gebar – vor allem, wenn es sich um ein Kind handelte, das nach der Eheschließung gezeugt worden war.
Es würde nichts ausmachen, wenn Leonie Rolfe deswegen zur Rede stellte, denn er konnte das Kind nicht leugnen. Aber Leonie würde ihn vielleicht gar nicht danach fragen, sondern einfach fortgehen. Dann hatte Amelia immer noch Zeit, das Kind loszuwerden, wenn sie den Trank anwandte, den sie vor Jahren am Hof kennengelernt hatte.
Während sich Amelia ihren Träumereien hingab, kehrte das selbstgefällige Lächeln wieder auf ihr Gesicht zurück.
29. KAPITEL
Sie würden an den königlichen Hof gehen. Leonies Magen drehte sich vor Abscheu um, als sie es vernahm. Zu ihrem großen Verdruß mußte sie den Brief schreiben, mit dem die Einladung des Königs angenommen wurde.
Rolfe wollte ihre Ausflüchte nicht hören, sondern beharrte darauf, daß sie ihn begleitete.
»Heinrich möchte dich kennenlernen«, war alles, was er dazu sagte. Und niemand verweigerte dem König das, was er wollte, rief sie sich erbittert ins Gedächtnis zurück.
Rolfe ging es noch nicht gut genug, und daher wurde der Tag der Abreise für die darauffolgende Woche festgelegt.
Die Woche verging im Flug. Leonie betete, daß ihre Nervosität ihren Ausschlag nicht wieder ausbrechen ließ und auch darum, daß sie sich nicht ungeschickt anstellen würde. So viele Jahre waren vergangen, seit sie am Hof gewesen war. Ob sie sich wohl noch erinnerte, wie man sich dort benahm?
Rolfe verstand sie und tat sein Bestes, um ihre Ängste zu mildern. Er erzählte ihr lustige Geschichten über den König und seine Höflinge und hob hervor, daß sie vielleicht sogar einige ihrer Verwandten dort treffen würde. Sie war nicht sicher, ob sie sich daraufhin besser oder noch schlechter fühlte.
Sie schliefen im selben Bett, aber es ging ihm nicht gut genug, um sie zu lieben. Sie verbrachte fast ihre ganze Zeit damit, ihm vorzulesen, mit ihm zu essen und ihm zur Verfügung zu stehen, wenn er einen Brief diktieren wollte. Sie sprachen viel miteinander. Rolfe erzählte ihr von sich und zwang sie, auch über ihr Leben zu reden.
Er war in jeder Hinsicht bemüht, ihr zu gefallen, bis auf den Punkt, der für sie die größte Rolle spielte und immer zwischen ihnen stand – Amelia. Jedesmal, wenn sie versuchte, mit ihm über seine Mätresse zu sprechen, hielt ihr Stolz sie zurück. Wenn er Amelia doch bloß fortgeschickt hätte. Aber sie wagte es nicht, ihn darum zu bitten. Sie fürchtete seine Ablehnung, die ihr nur zu offen gesagt hätte, was sie nicht wissen wollte. Liebte er Amelia? Immer wieder quälte sie diese Frage.
Sie verbarg ihre Gefühle und hielt eine Distanz zu Rolfe aufrecht, die zu ihrer Abwehr nötig war. Sie konnte es sich nicht leisten, ihm gegenüber locker zu sein, mit ihm zu lachen und ihn zu necken, wie es in ihrer Natur lag. Dann hätte es passieren können, daß sie sich hoffnungslos in ihn verliebte, und davor mußte sie sich mit aller Kraft hüten.
An dem Morgen, an dem sie nach London aufbrachen, würde Rolfe erstmals sein Zimmer verlassen. Er überließ Leonie alle Vorbereitungen für die Reise, sogar das Packen seiner eigenen Sachen. Sie kostete diese Aufgaben einer Ehefrau genüßlich aus.
Ihr eigenes Gepäck brachte sie jedoch in ein Dilemma, denn sie besaß nur zwei festliche Kleider. Daher arbeitete Wilda lange und hart, um aus einem Stück spanischen Wollstoffs, den Leonie aufbewahrt hatte, ein drittes Kleid anzufertigen.
Leonie war im Nähen sehr geschickt und hatte viele Altartücher und Taufkleider bestickt.
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