Wenn die Liebe erwacht
Löffel. In Beuteln waren rare Gewürze enthalten. Auf dem Boden der Truhe lagen in weiche Wolle gewickelt ein mit Steinen besetzter Ledergürtel und ein Gürtel aus geflochtenen Goldschnüren. In einem kleinen Kasten fand er drei Broschen. Eine war mit Granaten besetzt, eine andere emailliert. Daneben lagen zwei silberne Haarnadeln, eine goldene Schnalle und ein edles Schmuckstück, eine goldene Halskette mit sechs großen Granaten, die zwischen den Kettengliedern eingesetzt waren, und einem goldenen Kreuz.
So wenig Schmuck für eine so schöne Frau. Aber Rolfe wußte, daß Leonie als Kind von ihrem Vater abgeschoben worden war. Wen hatte es gegeben, der sie mit hübschen Dingen beschenkt hätte, um zu sehen, wie ihre Augen vor leuchteten? Eine Woge von Haß auf den Mann, der Leonie so übel mitgespielt hatte, ging über Rolfe hinweg.
Die Tür öffnete sich leise, und sie stand da. Und sah Rolfe – vor ihrer offenen Truhe, und das Bettuch, in das er sich gehüllt hatte, war blutdurchtränkt. Sie hatte ihn auf frischer Tat ertappt, und er hatte keine Ausrede parat.
Sie starrte ihn an, sagte kein Wort, und er konnte nicht in ihrem Gesicht lesen. Rolfe wandte sich errötend ab und machte sich langsam auf den Rückweg zu seinem Bett.
Leonie folgte ihm. Schweigen hing in der Luft, bis sie schließlich etwas sagte.
»Falls du meine Medizin gesucht hast, Mylord, hätte de la Mare dir sagen sollen, daß mein Korb dort neben dem Feuer steht.«
Rolfe seufzte. »Ja, das hätte er tun sollen.«
»Aber ich muß dich davor warnen, dich selbst zu behandeln. Du kannst mehr Schaden anrichten, als es dir nützen kann, wenn du nicht mit den Heilmitteln vertraut bist. Ich helfe dir gern.«
»Wirklich?«
Leonie wandte sich ab, denn sein Tonfall, der plötzlich so sanft war, brachte sie aus der Fassung. »Du hättest warten sollen, bis ich zu dir komme.«
»Aber ich war nicht sicher, daß du kommst.«
Sie sah ihm in die Augen. Offensichtlich hatte er bisher noch nichts von dem Verwalter gehört. Aber etwas anderes machte ihm sorgen.
»Warum hätte ich nicht kommen sollen, Mylord?« fragte sie spitz. »Du hast deutlich ausgedrückt, daß du Gehorsam wünschst.«
»Aber du tust ohnehin, was du willst.«
Plötzlich sprachen sie über das, was zwischen ihnen nicht stimmte, obwohl es keiner von beiden vorgehabt hatte. »Ich gestatte es niemandem, Mylord, über meine Gedanken oder meine Gefühle zu bestimmen. Im übrigen kannst du mir als deiner Frau befehlen.«
Rolfe hätte fast gelacht. Natürlich hatte sie recht. Er konnte nicht über ihre Gedanken und Gefühle herrschen, und es war unsinnig, daß er das versucht hatte. Jetzt war es nötig, daß er versuchte, ihre Gefühle zu ändern, oder wenigstens einige ihrer Empfindungen.
»Wenn du mich lieber nicht pflegen willst, Leonie, dann verstehe ich das.«
Sie fand die Demut in seiner Stimme keineswegs überzeugend. »Die Gabe des Heilens, die ich von meiner Mutter habe, ist mir gegeben, damit ich sie anderen zugute kommen lasse. Wenn ich sie nicht anwenden kann, wird sie wertlos. Und jetzt laß mich etwas gegen das Bluten tun.«
Er nickte, und sie zog das Laken zur Seite, um den Verband zu wechseln. Sie strahlte bei der Arbeit vor Befriedigung, denn es machte sie froh und erfüllte sie mit Stolz, ihre Fähigkeiten nutzen zu können.
»Es bereitet dir Freude, andern zu helfen?« fragte Rolfe plötzlich.
»Ja.«
Er seufzte. Er hatte sich geirrt. Es war so, wie Thorpe gesagt hatte. Es lag einfach in ihrer Natur, anderen Menschen zu helfen. Er war für sie keine Ausnahme.
»Stimmt etwas nicht, Mylord?«
»Nein«, sagte er schnell. »Ich bin nur gerade auf den Gedanken gekommen, daß ich dich beleidigt haben könnte, als ich nicht nach dir, sondern nach dem Arzt rufen ließ.«
»Es hat mich nicht verletzt«, versicherte sie ihm eilig. »Ich war zornig darüber, weil ich wußte, daß Odo unfähig ist. Aber dein Befehl, mich von dir fernzuhalten, war verständlich. Du warst geschwächt und hattest Schmerzen. Du konntest nicht klar denken.«
»Warum bringst du Entschuldigungen für mich vor?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn du klar bei Verstand gewesen wärst, Mylord, bin ich sicher, daß du mich in Eisen hättest legen lassen, statt mich lediglich aus deinem Zimmer zu verbannen.«
»In Eisen legen!« Er runzelte die Stirn. »Das täte ich nie … Du bist meine Frau.«
»Darum geht es nicht«, sagte sie zornig. »Jemand hat versucht, dich zu töten. Diese Person muß
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