Wenn die Liebe erwacht
sich brutal auf ihre Lippen herab. Sein Kuß ließ sie zittern, und sie fühlte sich schwach. Sie durfte sich nicht wieder von ihm überwältigen lassen und zulassen, daß er diese unsagbaren Gefühle in ihr wachrief.
»Ich hasse dich«, flüsterte Leonie, und die Worte klangen selbst in ihren eigenen Ohren keineswegs überzeugend.
»Dann werde ich dich eben trotz deines Hasses lieben.«
Er küßte sie wieder, und die verräterische Flamme entzündete sich in ihr und zog sie trotz allem zu ihm hin. Sie kämpfte verzweifelt. Doch das, wogegen sie ankämpfte, war nicht er, sondern ihre eigene Begierde.
36. KAPITEL
Ein räudiger Köter, der an ihren Füßen schnupperte, weckte Leonie und Rolfe. Er erhob sich brüllend und tat so, als wolle er das Tier angreifen. Der Hund starrte ihn nur an. Leonie kicherte, und Rolfe drehte sich mit einem empörten Gesichtsausdruck zu ihr um.
»Vielleicht könntest du ihn einfach bitten, fortzugehen?« schlug sie vor, und in ihren Augen stand ein Lachen.
»Das kannst du gern selbst ausprobieren«, sagte er.
Sie tat es. Der Hund starrte auch sie an. »Wir sollten ihm einfach erlauben, hierzubleiben«, schlug sie vor.
Rolfe kicherte in sich hinein. »Ich glaube, genau das wird er ohnehin tun.«
Er beugte sich zu ihr herunter und zog ihren Kopf an sich, um sie zart zu küssen. Seine Augen lächelten sie an. Dann verließ er sie, um sich zu erleichtern, und Leonie legte sich mit einem wohligen Seufzen wieder auf seinen Rock. Sie hatten die Nacht zwischen Gesteinsbrocken, die heruntergefallen waren, und den Resten der Burgmauer verbracht. Sie hatte in Rolfes Armen glücklich und sorglos geschlafen, und sein Verlangen nach ihr hatte ihren ganzen Zorn und Schmerz fortgeschwemmt.
Das war etwas, was sie gelten lassen mußte. Ganz gleich, was sonst auch zwischen ihnen stand – Rolfe begehrte sie. Sein eigener Zorn konnte seinem Verlangen nicht standhalten. Und dieses Wissen war ein Balsam, der Leonies Schmerzen linderte.
In der letzten Nacht hatte er sie eine Zeitlang in dem Glauben gewiegt, daß er sie liebte. Sie hatte sich in diesem Gefühl und all den anderen Empfindungen, die er in ihr entfacht hatte, gesonnt. Sie errötete heftig, als ihr Rolfes Ungeduld wieder einfiel. Er hatte sich mit ihrer Hilfe entkleidet und sie sich mit seiner, und sie hatten einander langsam geliebt und jeden einzelnen Moment und jede zarte Liebkosung ausgekostet. Sie hätte sich nie vorstellen können, daß ein so gräßlicher Tag so enden konnte.
»Dein Erröten verrät deine Gedanken, Herzchen.«
Leonie errötete noch tiefer, und Rolfe lachte vor Glück. Er half ihr auf die Füße und tätschelte mit deutlichem Besitzerstolz ihre Rückseite.
»Geh, und tu, was du tun mußt«, sagte er grinsend zu ihr. »Wir haben länger hier herumgetrödelt, als zu erwarten war.«
Sie eilte davon und war immer noch verlegen. Als sie zurückkam, war Rolfe mit seinem Pferd beschäftigt. Sein Rücken war ihr zugekehrt, und daher hörte er nicht, daß sie näherkam. Sie blieb zögernd stehen. Ihre Ängste kehrten zurück. Es war unvorstellbar, daß Rolfe kein Wort über den Trank verlieren würde, den sie ihm eingeflößt hatte. Es war ihr verhaßt, daran zu denken, daß sein Zorn zurückkehren konnte.
Sie legte die wenigen Schritte bis zu Rolfe zurück. Er drehte sich immer noch nicht um, und sie klatschte unsicher in die Hände.
»Wie hast du mich eigentlich so schnell gefunden?« Sie bemühte sich verzweifelt, die Frage beiläufig klingen zu lassen.
»Nachforschungen führen zu Ergebnissen. Man hat dich gesehen, als du von der Hauptstraße abgebogen bist. Die Richtung, die du einschlagen würdest, stand fest, und daher war es nicht schwer, euer Lager zu finden, auch nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, daß du verschwunden warst.«
Er drehte sich langsam um und sah sie an.
»Ich … ich bin dir zutiefst dankbar, Mylord, weil du mich im richtigen Augenblick gefunden hast.«
»Weißt du, wohin sie dich bringen wollten?«
»In eine Burg in der Nähe. Zu einem Herrn, der durch die Folter seine Opfer erpreßt.« Sie schauderte. »Ich bin sicher, daß du mir das Leben gerettet hast.«
»Sie hätten dich nicht getötet, Leonie. Sie hätten dir wehgetan, aber du bist zu wertvoll, als daß sie dich umgebracht hätten.«
»Ihnen war ganz gleich, wer ich bin oder welchen Wert ich habe. Ich bin ganz sicher.«
»Sie hätten deinen Wert erkannt, wenn du ihnen erst deinen
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