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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Als ich die schriftliche Division lernte, verschwammen mir die Zahlen vor den Augen, und ich hasste es. Tante Celia erklärte damals, dass es sich sowieso nicht auszahle, zu klug zu sein, dass mir das nicht guttun würde. Ich verstand irgendwann, wie die schriftliche Division funktioniert – zum einen weil mich ihr Gerede ärgerte und zum anderen weil Papa, als ich es wiederholte, meinte: »Es zahlt sich auch nicht aus, dumm zu sein.«
    Ich dachte oft über Miss Etheridge nach und wie sie wohl den restlichen Tag verbrachte, wenn die Schule vorüber war. Was tat sie zu Hause, wenn es dort niemanden gab, um den sie sich kümmern musste? Lohnte es sich, ein Maisbrot zu backen oder ein Hühnchen zu braten, wenn man ganz allein war? Vielleicht aß sie abends ja auch in einem Restaurant, mit einer Serviette auf dem Schoß und ihrer Handtasche neben sich, und das Einzige, was in ihrer Küche stand, war ein Krug mit Tee. Manchmal wohnten Lehrerinnen auch bei älteren Damen, die Zimmer vermieteten. Ich fragte mich, ob sie wohl unter dem Dach lebte, ohne Fenster und mit den Geräuschen von Mäusen, die über den Boden rannten. Oder fiel durch ihr Schlafzimmerfenster die Sonne, und sie wachte jeden Morgen auf und blickte auf Hornsträucher hinaus?
     
    Leta
    Als ich mich vom Umrühren in der Waschlauge aufrichtete, sah ich die Stiefel einer Frau vor mir, deren Sohlen bereits abgingen. Es stellte sich heraus, dass Lola Lowe in ihnen steckte. Sie war noch nie zu uns nach Hause gekommen, deshalb überraschte mich ihr Anblick etwas. Noch ehe ich ihr einen guten Tag wünschen konnte, erklärte sie: »Deine Mädchen sind bei mir gewesen.«
    Das verblüffte mich nun wirklich. »Virgie und Tess? Bei dir?«
    »Das sind doch die einzigen, die du hast – oder?« Sie lächelte nicht, als sie das sagte, aber ich nahm es ihr nicht übel. So war sie nun mal. Wenn ich so viele Kinder wie sie gehabt hätte, würde ich mich vermutlich auch nicht lange mit Höflichkeiten aufhalten.
    »Stimmt.«
    Ich wollte nicht, dass sie sich bei mir unwillkommen fühlte, aber die Kleider konnte ich trotzdem nicht einfach liegen lassen. Das Feuer war schon heiß, und die Kleider kochten, dadurch war ich an den Topf gekettet. Ich wünschte mir, sie wäre einige Stunden früher gekommen, als mir eine Pause recht gewesen wäre.
    Ich hatte zwölfmal zum Fluss hinunter gemusst, um den eisernen Waschtrog zu füllen, der am Rand der Nesselbäume stand. Nach dem sechsten Mal fühlten sich meine Arme an, als würden sie jeden Moment aus den Gelenkpfannen springen. Dann musste ich das Feuer entfachen, was wenigstens nicht so anstrengend war. Während sich Stroh und Zweige entzündeten und die größeren Holzstücke zum Brennen brachten, sortierte ich die Kleidungsstücke und teilte sie in dunkle, helle und weiße Haufen. Nur die Arbeitskleidung, die Bettlaken und richtig Verschmutztes mussten gekocht werden. Zu Letzterem gehörte mehr oder weniger alles von Jack.
    Sobald das Feuer einmal brannte, konnte ich mir nicht mehr leisten, eine Pause zu machen – ganz gleich, wie sehr meine Arme schmerzten oder mein Gesicht brannte oder wie sehr sich mein Hals nach frischer trockener Luft sehnte und nicht mehr die heißen Dämpfe einatmen wollte, die aus dem Topf aufstiegen. Die Kleidungsstücke wirbelten durch das Wasser, Grubenkluft, Hemden und Socken schaukelten im Schaum hin und her. Das war die schmutzigste Wäscheladung, die am längsten eingeweicht werden musste. Die Leintücher wollte ich getrennt kochen. Die Kleider und die restlichen Sachen – die nicht gekocht werden mussten – schrubbte ich am Waschbrett, während die anderen Klamotten vor sich hin köchelten. Die sauberen, schaumigen Kleider lagen auf einer alten Decke und warteten darauf, ausgespült zu werden.
    Ich sah zuerst Lola und dann den großen Haufen Kleider an. Dann blickte ich auf die Sachen, die noch im Topf vor sich hin kochten, und rührte sie mit einem alten Besenstiel um. Lola redete weiter, ehe ich meine Gedanken gesammelt hatte und wusste, was ich als Nächstes sagen sollte.
    »Du musst nicht aufhören«, meinte sie. Sie beugte sich über den schaumigen Haufen. »Sind die fertig?«
    »Ja.«
    »Und das ist der Spülbottich?«
    »Ja«, erwiderte ich und wies mit dem Kopf auf die Silberwanne mit dem sauberen Wasser. »Aber lass nur, Lola. Hol dir einen Stuhl aus der Küche, und leiste mir Gesellschaft. Vor dem Auswaschen mach ich eine Pause.«
    Die Wäsche nahm einmal in der Woche einen

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