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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Zahltag, und wie an jedem zweiten Freitag im Monat hatten sich, als wir schließlich aus dem Förderkorb ins Sonnenlicht traten, bereits zwei Schlangen vor den beiden Fensterscheiben des Büros gebildet – eine mit Schwarzen und eine mit Weißen. Es war eine grinsende, zufriedene Gruppe von Männern. Viele lachten, kratzten sich und spuckten auf den Boden. Wir standen in Trauben zusammen, plauderten miteinander, bliesen Zigarettenrauch in die Luft und genossen das Gefühl, bald Geld in der Tasche zu haben. Nach dem Zahltag wollte man nicht sofort nach Hause. Das Geld machte den Tag klarer und frischer und wusch den Staub besser ab, als Wasser das gekonnt hätte.
    Schwarze Mädchen standen in einiger Entfernung und schwangen die Hüften von einer Seite zur anderen, während sie sich nach den schwarzen Burschen umsahen, die jetzt Geld in den Taschen hatten. Die weißen Frauen, die sich anboten, warteten in der Stadt darauf, dass die Kumpel zu ihnen kamen. Galloway gab Bezugsscheine aus, während andere Minenbesitzer ihren Arbeitern eigene Münzwährungen bezahlten, so genanntes Dugaloo. Für zehn Cent konnte man ins Filmtheater, aber in Dugaloos kostete die Karte fünfzehn Cent. Ich fragte mich, ob die Huren wohl ebenso aufschlugen.
    Jonah stand in der anderen Schlange, und eine Sekunde lang sahen wir einander an. Zwischen den Schlangen entwickelten sich nie viele Gespräche. Unter Tage schon, aber sobald man einmal aus dem Lift getreten war, gab es eindeutig vorgegebene Wege in unterschiedliche Richtungen. Wir nickten uns zu und neigten dabei unsere Köpfe kaum mehr als beim Einatmen. Ich wollte ihn einladen, zu uns nach Hause zu kommen, und die beiden Schlangen kamen mir töricht und lästig vor. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn später zu fragen.
    Die Schlange bewegte sich rasch vorwärts, und schon bald kritzelte ich meinen Namen auf eine Zeile im Zahlbuch und unterschrieb, dass ich für zwei Wochen zwölf Dollar und vierzig Cent erhalten hatte. Ich drehte mich um, hörte die Münzen klimpern und bewegte mich im Rhythmus, damit das Klimpern wie eine Melodie klang.
    Ein Kumpel, den ich zwar kannte, aber mit dem ich bisher selten mehr als ein paar Worte gewechselt hatte, kam direkt auf mich zu. Er rannte fast. Da es Zahltag war und ich zufriedener, guter Dinge war, lächelte ich und nickte ihm zu. Ich wollte gerade seinen Namen sagen, da merkte ich, dass er den Kopf schüttelte, als würde ich etwas falsch machen. Er hielt erst an, als seine Stiefel nur wenige Zoll von den meinen entfernt waren, während ich dastand und mit meinen Taschen spielte, um noch einmal den Münzen zuhören zu können. Einige Sekunden lang wunderte ich mich, dass er so unglücklich aussah, obwohl seine Taschen doch auch voller Geld waren.
    »Dein Junge … Er wurde von einem Laster angefahren«, sagte er.
    Dann hörte ich nichts mehr. Keine Münzen mehr, die eine Melodie klimperten, und auch keine Worte mehr aus seinem Mund, obwohl sich seine Lippen bewegten. Ich kam auch nicht auf die Idee, dieses Lächeln aus meinem Gesicht verschwinden zu lassen, sondern stand nur taub und grinsend da, ohne mich zu bewegen.

8 Die Brunnenfrau
    Jack
    Jahre später waren mir nur noch die heulenden Sirenen und der Staub in meinem Mund im Gedächtnis geblieben. Ich konnte mich jedoch beim besten Willen nicht erinnern, wie mich dieser Laster erwischt hatte. Ich war auf dem Weg zu einem Basketballspiel gewesen und hatte gehört, wie hinter mir Reifen auf der ungeteerten Straße abzubremsen versuchten, was sich anders anhörte als auf einer geteerten. Ich weiß noch, wie ich dachte, dass meine Freunde bestimmt neidisch auf mich sein würden, weil ich in einem Krankenwagen fahren durfte und sie nicht.
    Erst zehn Jahre später fragte ich Pop, warum er die Baufirma nicht verklagt habe. Damals waren die Leute noch nicht so klagefreudig wie heutzutage, doch selbst damals hieß es, dass er bestimmt eine dicke Abfindung bekommen hätte, einfach nur, damit er den Mund hielt. Vielleicht genug, um seine Kinder aufs College zu schicken. Vielleicht genug, um nicht mehr einfahren zu müssen.
    Er weigerte sich, das auch nur in Erwägung zu ziehen. Mama wollte, dass er es tat, aber sie bedrängte ihn nicht. Sie bedrängte ihn nie. Auch Tante Celia wollte, dass er die Firma verklagte, und sie sagte auch deutlich ihre Meinung
    Pop jedoch meinte: »Es gibt keinen Grund, etwas von den Leuten zu verlangen. Man weiß nie, was dahintersteckt, kennt nicht ihre Seite der

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