Wenn Die Nacht Beginnt
mein es ernst, Hack. Du bist einfach dagestanden und hast zugeschaut, wie er wegfuhr. Und du hast uns glauben lassen, du warst nicht mal da oben.« Bohannon reicht ihm ein Glas mit Old Crown Whisky. »Ich versteh dich nicht.«
»Ist der Mann mit einer neun Millimeter Browning erschossen worden?«
»Neun Millimeter irgendwas.« Gerard nimmt einen Schluck aus seinem Glas und zieht eine Grimasse. »Wie kannst du bloß so ein Zeug trinken?«
Bohannon gluckst in sich hinein. »Ich komm damit zurecht. Hast du irgendeinen Ausweis bei der Leiche gefunden?«
»Raub, Belcher wollte es wie einen Raubmord aussehen lassen«, sagt Gerard. »Jedenfalls war keine Brieftasche da. Aber es ist ein guter Anzug, und die Etiketten sind drin. Teuer, vielleicht sogar maßgeschneidert. Wir werden morgen den Laden befragen.«
Bohannon knurrt. Er hat seine Brille auf und Papiere vor sich ausgebreitet. Er schiebt sie zu einem groben Stoß zusammen, den er in einen großen Umschlag steckt. Das war George Stubbs' Arbeit. Bohannon kann nicht den Schreibkram erledigen und gleichzeitig trinken. Verflixt, er hasst Schreibkram selbst an einem Supertag. Und heute ist nicht gerade ein Supertag. Er ist erschöpft davon, die Pferde zu striegeln, Hufe auszukratzen, den Stall auszumisten, Kiesel zu harken, Wasser zu holen, Heu aufzuladen, Quittungen zu schreiben, bescheuerte Telefonanrufe entgegenzunehmen, überfällige Rechnungen einzutreiben und kleine Kinder auf Pferden in dem Oval herumzuführen, das er dafür gebaut und mit einem Geländer versehen hat – damals, als Rivera hier war.
»An seinen Sohlen hat es nichts gegeben, was auf eine Wanderung hindeuten würde. Er ist dorthin gefahren.«
Gerard betrachtet ihn eingehend. »Da war kein Auto. Ein Wagen hat ihn hinaufgebracht und den Killer auch? Und der Täter fuhr danach weg?«
Bohannon nickt. »Was Steve Belcher außen vor lässt.«
»Wie denn?«, fragt Gerard. »Sein Campingbus stand nur ein paar Meter von dem Opfer entfernt. Warum soll ihn Belcher nicht aus der Stadt hochgebracht haben zu irgendeinem Treffen? Das lief nicht so gut, Belcher verlor die Beherrschung und erschoss ihn? Er hat ein ungezügeltes Temperament, Hack, das musst du zugeben.«
»Vielleicht, aber er ist nur ein wenig verrückt. Er würde die Leiche doch nicht dort liegen lassen. Er würde sie anderswo hinbringen. Komm, Phil.«
Gerard gibt einen skeptischen Laut von sich, nimmt seinen Helm und steht auf. »Wir werden ja sehen, was in dem Camper zum Vorschein kommt.«
Bohannon starrt ihn an. »Du hast den Bus gefunden?«
»Er war nicht schwer zu finden«, sagt Gerard. »Er war noch nicht in Fresno, als unsere Leute ihn einholten.«
Bohannon macht die Lampe in der Mitte des Tisches an. Draußen gibt es noch ein wenig Tageslicht, aber die Küche bekommt nicht viel davon ab. Die Lampe ist eine alte Kerosinlaterne, die für Elektrizität ausgerüstet und rot emailliert ist. Linda hatte diese Idee gehabt – seine Frau, die schon lange in einer privaten Nervenklinik ist, gleich jenseits der Hügelkette, und anscheinend für immer dort bleiben wird. Gerard geht zur offenen Tür.
Bohannon sagt: »Du wirst den Wagen des Toten irgendwo im Canyon finden – einen Mercedes, BMW oder Jaguar –, in einem Graben zurückgelassen; die Fingerabdrücke werden abgewischt sein.«
»Ich weiß schon, wie ich meinen Job zu machen habe«, sagt Gerard und stößt die Fliegengittertür auf.
Bohannon ruft ihm nach: »Ach, und such einen Jungen namens Kelly. Warte einen Moment.« Er geht zum Büfett und nimmt ein Blatt Papier aus einer Schublade. Er setzt die Brille wieder auf und beäugt den Zettel. »Kelly Larkin. Stammt aus San Bernardino. Jockey-Größe, rasierter Kopf, Tätowierungen. Wahrscheinlich ist er zu Fuß unterwegs, er hat jedenfalls kein Auto. Er war mein Stallbursche – bis er heute in aller Herrgottsfrüh davonlief. Vielleicht war das ja etwa zur gleichen Zeit, zu der der Mann in dem teuren Anzug erschossen wurde.«
»Wir haben den Verrückten, der diesen Mann erschossen hat«, sagt Gerard, »und du weißt es. Auf Steve Belcher wartet schon seit Jahren eine Katastrophe. Du hast dich immer auf seine Seite gestellt, mach jetzt nicht wieder diesen Fehler. Du steckst schon ziemlich tief drin, weil du ihn heute Morgen hast entkommen lassen.«
»Was hätte ich denn tun sollen? Er hatte eine Pistole, ich nicht. Er hatte ein Auto, ich nicht.«
»Stimmt. Also, warum gibst du nicht einfach zu, dass du dort warst? So wie du
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