Wenn Die Nacht Beginnt
Staub von den Händen und schaut wieder nach rechts. Vor ein paar Minuten hatte er geglaubt, er hätte ein Stück den Hang hinauf einen flüchtigen Augenblick lang Metall gesehen. Stimmt. Er geht darauf zu, und ihm sinkt der Mut, als seine Vermutung sich als zutreffend herausstellt. Es ist Steve Belchers zerbeulter Campingbus. Belcher ist ein bärtiger, langhaariger Vietnam-Veteran, der in dem Wagen wohnt, alle anderen in Ruhe lässt und von ihnen in Ruhe gelassen werden möchte. In den vier oder fünf Jahren hier ging es ihm am besten, seit er sich in die Canyons geflüchtet hat. Zuerst hatte er seinen Campingbus an verschiedenen Stellen in Madrone geparkt, aber die Bürger hatten ihn weitergeschickt. ›Weiter‹ war dann ein altes, undichtes Fischerboot, mit dem er in Short's Inlet vor Anker lag – einem Gewässer, das niemandem etwas bedeutete, außer ein paar wandernden Enten hier und da, um das sich aber plötzlich alle sorgten, sobald Belcher sich dort niedergelassen hatte. Belcher verschmutzte die Umwelt dort, nicht wahr? Ein schönes, natürliches Habitat von Wildvögeln.
Also gab Belcher auf, nachdem er auf Stadtratsversammlungen ein paar hässliche Szenen gemacht hatte – er hatte ein grobes Mundwerk, dieser Belcher –, und er hatte sich mit seinem rostigen Campingbus in die Canyons zurückgezogen. Er ging nie in die Stadt, außer um seine monatliche Versehrtenrente abzuholen und Vorräte einzukaufen. Ansonsten hielt er sich abseits. Allerdings hatte er einmal sein Lager in der Mozart-Arena aufgeschlagen. Dr. Dolores Combs und der Rest der wohlhabenden Musikliebhaber der Stadt hatten ihn beinahe dafür hängen lassen.
Bohannons Stiefel knirschen über verstreutes Papier, zerdrückte Dosen und Kunststoffverpackungen. Kojoten oder Waschbären haben auf der Suche nach einer Mahlzeit einen Müllsack aufgerissen. Er hört ein Geräusch und schaut auf: Da steht Belcher, splitternackt, in der verbeulten Tür des Busses, in der Hand eine 9-mm-Browning.
»Ich bin's«, sagt Bohannon. »Nicht schießen.«
»Verdammt früh«, knurrt Belcher. Sein schmutzig blondes Haar und der Bart sind vom Schlaf zerzaust. »Was willst du? Du machst mir doch nie Ärger. Du nicht.« Er kneift misstrauisch die Augen zusammen. »Bis jetzt jedenfalls nicht.«
»Da unten liegt etwas auf dem Weg«, sagt Bohannon, »das gehört da nicht hin. Zieh was an, ich möchte, dass du dir das anschaust.«
Belcher neigt den Kopf zur Seite. »Was meinst du mit ›etwas‹?«
»Jemand«, sagt Bohannon.
Belcher starrt ihn an. »Ein toter Jemand?«
»Schuss in die Brust, mitten in der Nacht. Was gehört?«
»Jesus.« Belcher krault sich den Bart. »Jesus.«
»Willst du mir antworten?«, fragt Bohannon. »Willst du mir deine Pistole geben, damit ich daran riechen kann?«
Belcher zuckt vor Überraschung zusammen. Er hat die Waffe vergessen. »Die gehört mir nicht.« Er legt sie im Bus ab. »Sie ist nicht abgefeuert worden.« Seine Stimme ist heiser, und unter seiner gegerbten Lederhaut ist er blass geworden. »Und ich hab auch keinen Knall gehört.«
»Gehört dir nicht? Das ist die Sorte Pistole, die die Army ausgibt, Steve.«
»Die ist gegen den Bus geknallt, mitten in der Nacht. Hab sie da beim Vorderrad gefunden.« Er zieht eine zerlumpte Jeans an. »Himmel, warum hier?«
»Das ist heute nicht gerade dein Glückstag«, sagt Bohannon. »Komm mit, schau ihn dir an.«
»Ich versteh nicht, wozu«, sagt Belcher.
»Damit ich dein Gesicht sehen kann, wenn du sagst, dass du ihn nicht kennst. Ich habe dir immer vertraut. Ich will wissen, ob ich dir immer noch trauen kann.«
Belcher knurrt und kommt mit schlaksigen Bewegungen die kleinen Metalltritte des Busses herunter. Seine Füße sind schmutzig. »Ich will keine Schlottermänner mehr sehen. Hab genug gesehen. Hab ich dir schon gesagt. Zum Kuckuck, Bohannon, ich hab genug umgebracht. Zu viele. Es macht mich verrückt, wenn ich davon träume. Ich würde nie mehr jemanden umbringen.«
»Du hast immer noch deine Pistole«, sagt Bohannon.
»Die hätte ich noch«, sagte Belcher, »wenn sie Geister killen könnte. Sie gehört mir nicht, Bohannon, das hab ich dir schon mal gesagt. Ich hasse diese gottverdammten Dinger.«
»Komm schon.« Bohannon wendet sich ab und geht den Abhang hinunter. »Du weißt, dass Lieutenant Gerard dich aufspüren wird. Du bist der naheliegenste mögliche Verdächtige.« Er geht schnell, der Boden ist vom Morgentau schlüpfrig, und fast fällt er. »Er und ich,
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