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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
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sagte sie, ohne aufzuschauen, während sie ein Formular ausfüllte. »Sie gehören zu dem, was wir den ›Krisenwagen‹, nennen. Jeder andere Streifenwagen hat einen Sektor zu patrouillieren, außer diesem Wagen. Sie fahren überall dorthin, wo Unterstützung gebraucht wird oder wo etwas passieren könnte, wie zum Beispiel vor einem Nachtclub, der schließt.«
    Ich sah hinüber zu dem Bus und fragte: »Es war der Kleinbus, stimmt's?«
    Ein leichtes Nicken. »Wir hassen Kleinbusse. Wir nennen sie Polizistensärge. Man weiß nie, ob ein Kerl drinsitzt oder sechs. Du könntest zum Heck des Busses gehen, und die hinteren Türen könnten aufgehen und ein paar Bankräuber auf der Flucht könnten herauskommen, mit Gewehren bewaffnet und bereit, dich zu vierteilen. Deshalb versuchen wir, uns so weit wie möglich gegenseitig zu unterstützen, wann immer wir einen Kleinbus anhalten.«
    Sie ließ klickend die Mine ihres Kugelschreibers verschwinden, riss dann das Strafmandat vom Block und ging wieder vor. Sie lachte über etwas, was einer ihrer Kollegen zu ihr sagte, und reichte dem Kleinbus-Fahrer das Blatt – selbst jetzt konnte ich nicht erkennen, wie er ausgesehen hatte –, und dann kam sie zurück zum Streifenwagen.
    Als sie das Blaulicht abstellte und sich langsam wieder in den Verkehr einfädelte, meinte sie: »Na, macht es Spaß?«
    »Du glaubst gar nicht, wie.«
    Wir machten eine kurze Kaffeepause und tranken Kaffee aus weißen Styroportassen, während wir die Lichter um den Hafen von Porter betrachteten. Wir standen mit dem Streifenwagen auf einem kleinen Parkplatz beim Gebo-Park und beobachteten die nächtlichen Spaziergänger, die auf den Parkwegen vorbeigingen. Selbst als sie hier saß, waren Lynns Augen recht lebendig, schweiften umher, prüften die Fußgänger und Radfahrer, sahen hier und da kurz zum Rückspiegel hinauf, um sicherzugehen, dass sich keine Attentäter oder Ähnliches an uns heranschlichen.
    »Also«, fing sie wieder an. »Was ist mit dir passiert?«
    »Was meinst du?«
    »Du weißt, was ich meine«, entgegnete sie. »Wir sind beide hier aufgewachsen, in die gleichen Schulen gegangen, und irgendwie bin ich Gesetzeshüterin geworden, und du bist … Mensch, ich weiß nicht mal, als was ich dich bezeichnen soll. Wie konnte es so weit kommen mit dir? Die Härte des Daseins als ältester Bruder oder so was?«
    Der Becher Kaffee fühlte sich warm in meinen Händen an. »Nach der High School bin ich zur Army gegangen. Ich fand heraus, dass ich ein Talent für Waffen hatte und gut damit umgehen konnte. Als ich die Army verließ, haben mich gewisse … Agenturen und Firmen wegen dieser Fähigkeiten angeheuert. Das ist es, was passiert ist.«
    »Also, ein einheimischer Söldner?«, sagte sie mit verächtlicher Stimme. »Ein fanatischer Milizionär, der versucht, die Welt für die arischen Christen zu retten?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich versuche nur, mich um ein paar böse Jungs zu kümmern, das ist alles – diejenigen, die durch die Maschen fallen und nie auf dem Radarschirm der Polizei erscheinen. Man könnte sagen, ich tue deine Arbeit, nur von einer anderen Straßenseite aus.«
    »Ach, das ist so unecht …«
    Und dann hatte ich genug. »Entschuldige, kleine Schwester, aber wer hat dich zum Hüter meiner Moral und Verantwortung gemacht?«
    »Was du getan hast, war kriminell!«
    »Wer sagt das?«
    Das brachte sie fast dazu, vor Ärger zu spucken. »Jeder vernünftige Mensch sagt das!«
    »Vernünftig? Ist es Vernunft, wenn du weißt – gerade so gut, wie ich es weiß –, dass bestimmte Kriminelle nie gefasst, nie verurteilt, nie eingesperrt werden, weil sie Beziehungen haben? Oder weil sie Anwälte haben mit Vorschüssen in Millionenhöhe? Oder weil sie auf einem Landsitz leben und mit Aktenkoffer und Computer stehlen, anstatt in einer Wohnwagensiedlung zu wohnen und mit einem Montiereisen oder einer billigen Pistole zu stehlen?«
    »Also ist es deine Aufgabe, solche Probleme in Ordnung zu bringen? Wer hat dich dazu ausersehen?«
    »Niemand«, sagte ich und konnte nicht ganz glauben, dass ich dieses Gespräch mit einer Polizistin führte, selbst wenn sie meine Schwester war. »Ich werde von Leuten angeheuert, denen ich vertraue, und mache meine Arbeit, und ich habe deshalb keine schlaflosen Nächte.«
    »Und was ist für dich in Ordnung?«
    »Nun werd nicht gefühlsduselig, Lynn. Ich weiß genug über Polizisten, um von den Dingen zu wissen, die du tust. Du wendest dich von einem kleinen

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