Wenn Die Nacht Beginnt
ist noch zu früh, um Angst zu haben«, entgegnete ich und las das Formular durch. Es war die Fotokopie eines Standardformblatts von der Polizeidienststelle, das sie jeder Verantwortung entband, wenn ich erschossen, verletzt, verkrüppelt, gefangen genommen, verbrannt, ausgeplündert oder beleidigt werden sollte, während ich an dem Programm für zivile Begleiter teilnahm, das das Revier anbot. Ich überflog kurz die Seite, schmierte meine Unterschrift darunter und sah die junge Frau an. Sie riss das Blatt vom Klemmbrett und reichte es dem Empfangsbeamten hinüber.
»Alles bereit?«, fragte sie mich.
Ich blinzelte ihr zu. »Du hast die Führung, Schwesterchen.«
Und sie ging voraus.
Draußen befanden wir uns im rückwärtigen Teil des Polizeireviers, und ich sah mit leiser Faszination zu, wie meine jüngere Schwester die Vorbereitungen für eine Nacht in einem Streifenwagen draußen auf den Straßen durchexerzierte. Es gab vier Streifenwagen, die auf einem kleinen Parkplatz standen, der auf einer Seite von dem Polizeigebäude aus Backstein und auf der anderen Seite von Wohnhäusern flankiert wurde. Ein schwarzer Matchsack kam in den Kofferraum, wo sich bereits eine Holzkiste, ein orangefarbener Regenmantel, ein Feuerlöscher, zwei Stablampen, Ketten, Warnblinklichter und ein hellbrauner Teddybär befanden. Ich nahm den Teddybär in die Hand.
»Maskottchen?«
Sie lächelte mich ironisch an. »Nein, das geben wir einem Kind, um es abzulenken, wenn wir die Mama aus einem zu Schrott gefahrenen Auto ziehen oder den Daddy mit Haftbefehl festnehmen. Dann bekommen sie nicht so genau mit, was wirklich vorgeht.«
Im Streifenwagen ließ sie den Motor an, prüfte die Scheinwerfer, dann das Blaulicht auf dem Dach und ließ kurz die Sirene aufheulen.
»Ich schätze, es ist besser, sie hier zu testen, als hinter einem betrunkenen Fahrer festzustellen, dass sie nicht funktioniert«, meinte ich.
»Du hast's erfasst«, sagte sie und fuhr den Wagen rückwärts aus seinem Parkplatz. »Aber es geht den Nachbarn ziemlich auf die Nerven.«
»Ich hätte gedacht, sie hätten gerne die Polizei nebenan.«
»Klar«, sagte sie. »Sie lieben es besonders, wenn Betrunkene um drei Uhr morgens auf Kaution freigelassen werden und beschließen, die Vorgärten als Toilette zu benutzen.«
Wir fuhren hinaus auf die Straßen von Porter, und Lynn fuhr den Streifenwagen sicher und zuverlässig. Es war früher Abend, und ich warf ihr einen Blick zu. Die Uniform war dunkelblau, und sie trug einen schweren Mehrzweckgürtel mit Pistole, Handschellen und anderer Ausrüstung. Sie hatte auch ein tragbares Funkgerät neben sich und ein Mikrofon an ihrer Schulter.
»Wird all das Zeug nicht recht schwer?«, fragte ich.
»Natürlich«, meinte sie. »Das alles wiegt ungefähr zehn Kilo, und da ist noch nicht einmal die kugelsichere Weste dabei.«
»Was hast du denn alles dabei?«
Während ich ihr zuhörte, sah ich, dass ihre Augen beobachtend und einschätzend durch die Gegend huschten, während sie fuhr.
»Lass mal sehen, neben der Pistole sind da zwei zusätzliche Patronenmagazine, zwei Paar Handschellen, Schlüssel, ausziehbarer Stock, Pfefferspray und Schminktäschchen.«
»Wirklich?«
Die Andeutung eines Lächelns. »Nein. Und das Funkgerät, das ist übrigens neu. Siehst du den kleinen roten Knopf hier?«
Ich schaute auf das Funkgerät an ihrer Hüfte, auf das sie zeigte. »Ja.«
»Das ist der Panikknopf. Wenn ich den zweimal drücke, bekommt die Einsatzzentrale eine automatische Nachricht: ›Beamter braucht Hilfe‹, und in fünf Minuten gibt mir jede Streife im Dienst Rückendeckung. Nette Einrichtung.«
Sie in Uniform und voller Polizeimontur zu sehen, war immer noch ein kleiner Schock, nicht nur wegen der Tatsache, dass ein Familienmitglied bei der Polizei war. Das letzte Mal, dass ich Lynn gesehen hatte, war vor ein paar Tagen, als sie auf der Terrasse vor ihrer Eigentumswohnung beim Hafen ein Bier trank und mich offiziell wieder im kalten Nordosten willkommen hieß, nachdem ich viele Jahre in Kalifornien verbracht hatte. An dem Tag hatte sie ein locker sitzendes, hellrotes T-Shirt und weiße Tennisshorts an, und ihr Haar war offen und wehte um ihre Schultern. Ganz und gar nicht wie die adrette und korrekte Polizistin, die jetzt neben mir saß.
Und das letzte Mal davor … nun, ich war mir nicht sicher, was sie da trug, aber das vorletzte Mal, als ich Lynn gesehen hatte, war sie eine dünne, befangene und linkische Zwölfjährige,
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