Wenn Die Nacht Beginnt
war.
»Wo warst du, Eugene? Ich habe zwei Jahre lang nichts von dir gehört.«
»Ich habe hier und da gearbeitet«, antwortete er mit einem Schulterzucken. »Manchmal war es schwierig, in Verbindung zu bleiben.«
»Ich hätte dich nie gefunden, wenn ich nicht von deinem Vortrag gehört hätte. Wohnst du hier in der Stadt?«
»Ich bin für eine Weile hier«, meinte er vage.
»Diese Amanda, die Frau, die von dem Auto getötet wurde …«
»Was ist mit ihr?«
»Sie schien sich Sorgen um dich zu machen. Am Ende von Martin Grists Vortrag fragte sie, warum man dich nicht hatte sprechen lassen.«
»Das war ein Missverständnis. Ich bin in letzter Minute krank geworden.«
Plötzlich zweifelte Jean an seinen Worten. »Hast du abgesagt, weil du mich unter den Zuhörern sahst?«
»Nein, nein. Ich habe das Publikum gar nicht gesehen. Ich hatte nur das Gefühl, ich könne an diesem Abend den Vortrag nicht halten.«
»Wann hast du denn dieses plötzliche Interesse an Haggards Büchern entwickelt? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du ein eifriger Leser warst.«
»Dad unterstützte es nicht gerade, oder?«
Ihr wurde klar, dass seine Haltung sich mit den Jahren nicht verändert hatte. »Er war Feuerwehrmann, um Himmels willen! Er war unterwegs, um die Brötchen auf unserem Tisch zu verdienen, und seine Arbeit hat ihn schließlich umgebracht. Nimmst du ihm das auch noch übel?«
Eugene zuckte die Schultern. »Er hat eine schöne Beerdigung bekommen.«
»Sprichst du je mit Ma in Florida?«
»Ich habe weder ihre Adresse noch ihre Telefonnummer.«
»Ich kann dir beides geben.«
Er seufzte. »Was soll ich denn zu ihr sagen, nach all den Jahren?«
»Mehr als du zu mir sagst, hoffe ich. Eugene, du kommst nach zwei Jahren in mein Leben zurück, und du drückst nicht auf die Klingel oder klopfst an die Tür. Du packst mich im Flur und erschreckst mich zu Tode!«
»Das tut mir Leid, Schwesterherz.«
»Was ist mit Amanda Burke?«, fragte sie. »Du kanntest sie, nicht wahr?«
»Ja«, gab er zu. »Wir waren kurz miteinander gegangen.«
»Habt ihr zusammengelebt?«
»Nicht offiziell.«
»Ist sie ermordet worden?«
Er wandte seinen Blick ab. »Ich weiß nicht, was da draußen passiert ist. Alles ist möglich.«
»Bist du deshalb in mein Haus geschlichen, damit man dich nicht sieht?«
Er trank einen Schluck Wein und sagte: »Schau, Schwesterchen, du hast zu viele Fragen gestellt. Du warst heute bei den Grists, und ich habe gesehen, wie du hier hereinkamst mit dem Typ, der mit Amanda arbeitete.«
»Du kennst Mark?«
»Ich habe ihn ein paar Mal in der Bibliothek gesehen.« Einen Augenblick lang nahm sein Gesicht einen ängstlichen Ausdruck an. »Es geht hier nicht um ihn, es geht um dich. Ich will nicht, dass dir irgendwas passiert.«
»Wie das, was Amanda Burke passiert ist?«
»Das ist eine ernste Angelegenheit. Geh nicht zu der Versammlung am Donnerstag.«
»Erwartest du das wirklich von mir? Du bist mein Bruder, um Himmels willen! Wenn du in Schwierigkeiten bist, will ich dir helfen.«
»Es gibt nichts, was du tun könntest.« Er trank seinen Wein aus und stand auf.
»Eugene …«
»Gute Nacht, Schwesterchen. Sei vorsichtig, wenn du über die Straße gehst.«
Als er an der Tür stand, sagte sie: »Ich komme am Donnerstag. Nichts kann mich davon abhalten.«
»Das glaube ich dir.«
»Sag mir noch eines: Was ist die Haggard Society?«
Er zögerte und sagte dann: »Stell mir diese Frage auf der Versammlung am Donnerstag.«
Jean erwähnte den Besuch ihres Bruders nicht, als sie Mark Jessup am nächsten Tag zum Lunch traf. Vor allem wollte sie ihm nichts davon erzählen, wie Eugene sie im Flur ihre Gebäudes gepackt hatte. Es würde so klingen, als ob er etwas seltsam sei, und vielleicht war er das auch. Vielleicht hatte er sich deshalb so lange von ihr fern gehalten. Mark hatte an dem Tag die Spätschicht in der Bibliothek, also würde sie ihn nicht nach der Arbeit treffen können. Nachdem sie ein wenig gescherzt hatten, fragte er: »Gehst du zu der Versammlung morgen Abend?«
»Natürlich. Ich muss Eugene sehen.«
»Ich mache mir Sorgen um dich, Jean, nach dem, was mit Amanda passiert ist.«
»Ich werde aufpassen, wenn ich über die Straße gehe«, meinte sie mit einem Lächeln und dachte an die Warnung ihres Bruders.
»Das solltest du nicht auf die leichte Schulter nehmen. Nach dem, was du mir erzählt hast, glaube ich, dass ihr Tod in irgendeiner Weise mit deinem Bruder zu tun hat. Du hast
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