Wenn Die Nacht Beginnt
gesagt, sie fragte nach ihm, bevor sie starb, und jetzt hast du Fragen nach ihm gestellt. Ich würde mich besser fühlen, wenn ich morgen mit dir käme.«
»In Ordnung«, stimmte sie bereitwillig zu. Sie vertraute Mark und fing allmählich an, an ihrem Bruder zu zweifeln.
»Wenn ich mit der Arbeit fertig bin, können wir etwas essen und dann zusammen zu Fenley Hall hinübergehen.«
Als Jean an dem Abend vom Sender nach Hause kam, sah sie vorsichtig ihre Straße hinauf und hinunter und achtete besonders auf geparkte Autos. Aber die schienen alle leer zu sein, und niemand trieb sich in Eingängen herum. Sie ging in ihre Wohnung und stellte eine gefrorene Mahlzeit in die Mikrowelle.
Der Donnerstag war trübe und verregnet, ein Tag von der Art, an dem Jean lieber im Bett geblieben wäre. Ihr Uhrenradio war immer auf den Sender eingestellt, für den sie arbeitete, und die ersten Klänge, die sie normalerweise am Morgen hörte, waren die jovialen Scherze ihres Wettermannes und der Nachrichtenmoderator um sieben Uhr. Heute war es nicht anders. Das Wetter kam morgens immer zuerst, weil sie dachten, dass es das war, was die meisten Leute am Anfang eines neuen Tages wissen wollten. Dann kam der Verkehrsbericht und schließlich die Topstory des Morgens: ein nächtliches Feuer in einem Einkaufszentrum in einem Vorort. Jean schlüpfte unter der Bettdecke hervor und tappte ins Bad.
Während sie sich die Zähne putzte, dachte sie plötzlich an Eugene und das Treffen der Haggard Society am Abend. Da sie zuerst Mark zum Essen treffen würde, zog sie eines ihrer besseren Kleider an, was Heather zu der Vermutung veranlasste: »Wichtige Verabredung heute Abend?«
»Ich werde meinen Bruder bei einer literarischen Gesellschaft sprechen hören.«
Heather stöhnte. »Klingt langweilig. Was ist es – die Jane Austen Society?«
»H. Rider Haggard.«
»Der alte Junge wird wohl immer noch gelesen?«, fragte sie.
»Anscheinend. Bei jeder Versammlung verleihen sie Exemplare seiner Romane.«
Heather brummte. »Was war das für einer, wo die Frau am Ende verbrannte?«
»Du meinst wahrscheinlich She, aber die Flammen ließen sie nur verwelken und zerstörten ihre Unsterblichkeit. Ich weiß es, weil ich es gerade wieder gelesen habe.«
Heather sah Jean zweifelnd an. »Na ja, viel Spaß.«
Als sie und Mark gegen drei Viertel acht bei der Fenley Hall ankamen, war der Saal schon halb voll. Mrs. Grist stand vorn und trug ein langes, schwarzes Kleid mit weiten, vollen Ärmeln. Sie sammelte bereits einige Bücher ein, und Jean gab ihr Exemplar ohne Kommentar zurück. Einige Leser lasen die Geschichte weiter, stellte sie fest, denn sie liehen sich Ayesha aus, die erste Fortsetzung von She. Von Eugene war nirgends etwas zu sehen, und Jean ließ sich nieder, um zu warten.
Dieses Mal war es Martin Grist, der punkt acht Uhr zum Rednerpult schritt. »Meine Damen und Herren, willkommen zu dieser besonderen Versammlung der Haggard Society. Diejenigen von Ihnen, die noch Bücher zurückgeben oder austauschen möchten, können sie nach unserem Programm zu meiner Frau bringen. Wir freuen uns sehr, dass wir Ihnen heute Abend den verschobenen Vortrag des Haggard-Experten Eugene Forsyth anbieten können. Mr. Forsyth hat die erste Website über Haggard im Internet eingerichtet. Er wird uns darüber berichten sowie auch über die Freuden und Leiden des Lesens und Sammelns der Werke von H. Rider Haggard. Ich bitte Sie um einen herzlichen Begrüßungsapplaus für Eugene Forsyth.«
Zu diesem Anlass trug Eugene ein offenes Khakijackett, eines von der Sorte, wie es Haggards Held Alan Quatermain vielleicht getragen hat, während er nach König Salomos Minen suchte. »Ist das dein Bruder?«, flüsterte Mark neben ihr.
»Das ist er.« Bis zu diesem Augenblick hatte sie eigentlich nicht erwartet, dass er erscheinen würde. Jetzt schien er ein anderer Mensch zu sein, wie er da hinter dem Pult stand und von diesen uralten Büchern sprach.
»… Diejenigen von Ihnen, die Alan Quatermain nur aus dem Buch König Salomos Minen und seinen Fortsetzungen kennen, sind vielleicht überrascht, zu erfahren, dass Haggard seine zwei bekanntesten Geschöpfe 1920 in dem Roman mit dem Titel She and Alan zusammenbrachte. Die Handlung spielt kurz vor den Ereignissen, die in She erzählt werden …« Während er sprach, flogen ihre Gedanken zurück in ihre Kindheit und zu dem Schock beim Tode ihres Vaters. Vielleicht hatte er sich danach verändert, aber wie? Eines der großen
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