Wenn Die Nacht Beginnt
auf, indem sie sich in voller Länge auf ihn legte und seine Augen küsste. Er lächelte, und als er den Frühstückswagen sah, verkündete er, er sei am Verhungern. Während sie in ihrem neuen kobaltblauen Morgenmantel aus Satin ihm gegenübersaß, an ihrem Kaffee nippte und ihm zusah, wie er sein Steak und die Eier hinunterschlang, dachte sie an später, wenn sie die Zeit haben würde, seine wirklichen Frühstücksgewohnheiten zu erforschen. Sie war ein Scheidungskind und wusste, dass die kleinen, scheinbar unbedeutenden Dinge zählten. Genau die stauten sich immer mehr auf, bis sie schließlich explodierten, wenn man sich nicht darum kümmerte.
Sie wusste so wenig über Peter, obwohl er viel über sie wusste. Laurie plauderte gern und beutete gnadenlos ihre Erfahrungen und Erlebnisse aus, mit denen sie peinliche Gesprächspausen füllen konnte. Er wusste, dass sie dreiundzwanzig und in einem Vorort von Dayton aufgewachsen war, dass sie ihre Sommer und seit ihrem dreizehnten Lebensjahr, nach der Trennung ihrer Eltern, das ganze Jahr auf der Farm verbracht hatte und dass sie mit achtzehn von zu Hause weggezogen war, um am Ohio State College Kurse in Krankenpflege zu besuchen und an der Rezeption einer Familienpraxis in Toledo als Praktikantin zu arbeiten. Dort hatte sie Peter kennen gelernt, der gekommen war, um ein verdächtiges Muttermal entfernen zu lassen, der noch zwei Mal zur Nachuntersuchung kam und ein drittes Mal zurückkam, um die hübsche blonde Empfangsdame zum Essen einzuladen. Ihr hatte sein Aussehen gefallen, seine ruhige Art und – eine Nebenwirkung ihres Berufes – die Art, wie er auf seine Gesundheit achtete und auf das reagierte, was ihm sein Körper sagte. Sie konnte keinen Mann gern haben, der sich selbst vernachlässigte. Sechs Wochen später wurden sie getraut.
Ihre Mutter, immer noch verbittert, war dagegen gewesen. Besonders feindselig hatte sie auf die Entscheidung ihrer Tochter reagiert, ihren Geburtsnamen nicht zu behalten. Aber Laurie glaubte an völlige Hingabe, und außerdem hatte sie es ohnehin nie gemocht, ihren deutschen Nachnamen für jeden zu buchstabieren und die Aussprache zu berichtigen. In diesen sklavisch postfeministischen Zeiten gefiel es ihrem unabhängigen Geist, sich persönliches Briefpapier mit dem Briefkopf Mrs. Peter Macklin drucken zu lassen.
Sie wartete, bis er seinen Teller mit einem Toastdreieck sauberputzte, das Stück in seinen Mund steckte und den Teller wegschob. Dann fragte sie ihn: »Was machen wir heute?«
Er lächelte. Er war kein mürrischer Mann, aber er lächelte nur, wenn er amüsiert oder erfreut war, niemals nur aus Höflichkeit. Das war noch etwas, was sie an ihm liebte, denn es stellte sie vor die Herausforderung, sich dieses Lächeln zu verdienen. »Nun, ich würde dich gerne fragen, was du tun möchtest, aber du würdest es dann auch durchziehen, und ich wäre hinterher tot.«
»Hör doch auf, dich als alten Mann darzustellen. Können wir ein Auto mieten? Ich möchte die Küste entlangfahren. Ich bin noch nie an einem Ozean gewesen – der Huron-See ist bisher das größte Gewässer, das ich gesehen habe.«
»Ich werde den Portier damit beauftragen, sobald ich meinen Kaffee ausgetrunken habe. Wir können in Santa Barbara zu Mittag essen. Vor fünf Jahren gab es ein großartiges, kleines Meeresfrüchte-Restaurant auf einem Pier. Vielleicht ist es noch da.«
»Was hast du hier vor fünf Jahren gemacht?«
»Geschäfte. Kalifornien konsumiert Kameras wie Detroit Autoreifen.« Er schlug die Times auf.
Während er las, ging sie unter die Dusche und putzte sich die Zähne. In ihrem schwarzen Spitzen-BH und -slip kam sie aus dem Bad, auf Zehenspitzen, um die Linie ihrer Beine zu betonen. »Wenn es natürlich etwas anderes gibt, was du lieber tun würdest …« Sie stemmte eine Hand in die Hüfte, eine verführerische Pose, so wie sie es von Mae West auf AMC gesehen hatte.
Er war am Telefon, die Zeitung lag zerknittert neben dem Sessel auf dem Teppich. Er schnalzte mit der Zunge und knallte den Hörer auf die Gabel. »Ich hing jetzt fünf Minuten in der Warteschleife. Ich gehe hinunter, um mit dem Portier persönlich zu sprechen.« Er stand auf und ging hinaus. Er hatte sie überhaupt nicht angesehen.
Allein im Zimmer, bemerkte sie, dass sie sich noch immer auf Zehenspitzen befand, und sank auf ihre Füße mit dem Gefühl, dass ihr die Luft ausginge.
Besorgt knabberte sie ein Nagelhäutchen ab. Hatte sie ihn gekränkt? Nein, Peter war
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