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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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packte ihre Schwester bei den Schultern und zog sie in eine sitzende Stellung, schüttelte sie sachte. »Wach auf, Schlafmütze! Der Morgen ist schon halb vergangen. Du kannst nicht länger im Bett bleiben.«
    Viviennes Augenlider zuckten nicht. Sie hing einfach schlaff in Carolines Armen, während ihr Kopf haltlos nach hinten fiel.
    Caroline schaute bittend zu den Dienstmädchen. »Hat jemand ein Hirschhornsalzfläschchen zur Hand?«
    Nach kurzer Beratung verließen zwei der Frauen das Zimmer, eine von ihnen kehrte kurz darauf mit einem kleinen Glasfläschchen wieder. Caroline zog den Stöpsel heraus und schwenkte die Phiole unter Viviennes Nase. Obwohl der stechende Ammoniakgeruch Caroline unwillkürlich zurückweichen ließ, verzog Vivienne keine Miene.
    Nach einem verzweifelten Blick zu Portia legte Caroline Vivienne behutsam wieder in die Kissen. Sie drückte die eiskalten Hände ihrer Schwester, wünschte sich sehnlichst, dass sie gestern vor der Gemäldegalerie Viviennes Blässe mehr Beachtung geschenkt hätte und dem schwachen Appetit, den Larkin beim Abendessen erwähnt hatte. Sie hätte wissen müssen, dass Vivienne niemals über körperliches Unwohlsein klagen würde. Aber sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, Kane anzugaffen, um ihrer Schwester die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie benötigte. Jetzt mochte es zu spät sein.
    Plötzlich kam ihr ein absurder Gedanke, und sie spürte die Kälte von Viviennes Fingern bis ins Herz. Zögernd ließ sie die Hand ihrer Schwester los, erhob sich und ging zum Fenster in der Nordwand. Genau wie sie es befürchtet hatte, war es unverriegelt und unverschlossen. Ein einfacher Stoß, und die Fensterflügel schwangen nach außen auf. Sie lehnte sich aus dem Fenster in den Regen, blinzelte die Regentropfen fort. Es gab keinen Balkon, nur einen schmalen Mauervorsprung.
    »Hast du vorige Nacht irgendetwas gehört, nachdem du zu Bett gegangen warst?« Sie drehte sich zu Portia um. »Irgendetwas aus Viviennes Zimmer? Einen Schrei vielleicht?«
    Portia schüttelte hilflos den Kopf. »Ich habe nichts gehört.«
    Caroline hatte keinen Grund, an den Worten ihrer Schwester zu zweifeln. Portia hatte immer schon wie ein Stein geschlafen.
    Sie kehrte zum Bett zurück. Sie war sich der prüfenden Blicke der Dienstmädchen überdeutlich bewusst, als sie sich wieder auf der Kante neben Vivienne niederließ. Sie griff gerade behutsam nach der Schleife oben am Kragen von Viviennes hochgeschlossenem Nachthemd, als sie feste Schritte hinter sich hörte.
    Sie drehte sich um und entdeckte Kane auf der Türschwelle, hemdsärmelig und in Reithosen, seine Löwenmähne ungebändigt. Larkin, Julian und ein Dienstmädchen mit bleichem Gesicht standen hinter ihm. Sie wäre vielleicht überrascht gewesen, ihn so kurz nach Sonnenaufgang wach zu sehen, hätte es draußen nicht stetig geregnet, wie das Prasseln der Regentropfen gegen die Fensterscheiben verriet.
    »Was ist los, Caroline?«, fragte er eindringlich, wobei er zum ersten Mal ihren Vornamen benutzte. »Das Mädchen hat mir berichtet, dass mit Vivienne etwas nicht stimmt.« Mit ehrlich besorgter Miene ging er in Richtung Bett.
    Caroline drängte den verräterischen Wunsch zurück, sich in seine Arme zu flüchten, erhob sich und stellte sich ihm in den Weg. »Ihre Anwesenheit wird hier nicht benötigt, Mylord«, erklärte sie steif. »Was wir benötigen, ist ein Arzt.«
    Kane erstarrte wie alle anderen im Raum, die entsetzten Dienstmädchen eingeschlossen. Obwohl er sie um ein gutes Stück überragte, wich Caroline keinen Zoll, die Hände zu Fäusten geballt. Kane erwiderte ihren Blick regungslos, aber seine Kiefermuskeln begannen zu mahlen, als hätte sie ihm einen unerwarteten Schlag versetzt. Sie hätte sich nie träumen lassen, dass sie die Macht besäße, einen Mann wie ihn zu verletzen. Oder dass der Preis, diese Macht zu benutzen, so hoch sein könnte.
    »Mattie?«, sagte er schließlich, ohne den Blickkontakt mit Caroline zu unterbrechen.
    Das junge Dienstmädchen trat vor und hob ihre gestärkte weiße Schürze zu einem nervösen Knicks. »Aye, Mylord?«
    »Schick einen Lakai nach Salisbury zu Kidwell. Er soll dem Arzt ausrichten, dass einer meiner Gäste erkrankt ist und er unverzüglich kommen soll.«
    »Wie Sie wünschen, Mylord.« Das Mädchen knickste erneut und eilte aus dem Zimmer.
    Larkin drängte sich an Kane vorbei und stellte sich vor Caroline. Unfähig, ihm die unausgesprochene Bitte abzuschlagen, trat sie

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