Wenn die Nacht dich kuesst...
diese Türen besser verriegeln. Sie können sich nicht immer darauf verlassen, dass eine so launische Naturgewalt wie der Wind stets ihr bestes Urteilsvermögen zeigt.
Als ihr Kanes Worte wieder durch den Sinn gingen, erinnerte Caroline sich daran, wie unaussprechlich einsam er in jenem Augenblick ausgesehen hatte, als er sich mit den Händen auf der Brüstung abstützte und sein Gesicht der Nacht zugewandt hatte.
Sie ging zu den Türen, entschlossen, seine Warnung zu beachten. Aber als sie davorstand, zögerte sie, die Finger schon auf dem Riegel.
Er war dort draußen.
Das wusste sie mit einer Sicherheit, die mehr war als weibliche Intuition. Sie konnte ihn spüren wie einen unausweichlichen Schatten über ihrer Seele. Was, wenn sie in Wahrheit gar nicht fürchtete, dass Kane durch diese Türen bei ihr einbrechen würde? Was, wenn sie eigentlich fürchtete, sie selbst würde sie aufreißen? Vielleicht war es gar nicht sein Wille, den sie fürchtete, sondern ihr eigener. Schließlich war sie diejenige, die acht lange, einsame Jahre in einem Gefängnis aus Pflicht und Verantwortung gelebt hatte — ihre Wünsche, ihre Sehnsüchte und ihre Leidenschaft unterdrückt hatte. Die vor ihrer Zeit gealtert war und immer nur daran gedacht hatte, was für Portia und Vivienne am besten wäre. War es da ein Wunder, wenn sie sich danach sehnte, diese Türen weit zu öffnen und die Nacht in ihren wartenden Armen willkommen zu heißen?
Ihre Stirn gegen das kühle Glas gelegt, schloss sie die Augen. Sie spürte eine hilflose Welle der Sehnsucht. Ob Kane ein Vampir war oder einfach ein Mann, sie hatte Angst, dass sie für immer verloren wäre, wenn sie jetzt nur einen Moment lang in seine Augen blickte.
Caroline hob langsam den Kopf und öffnete die Augen. Der Balkon lag verlassen, in silbernes Mondlicht gehüllt.
Sie schob den Riegel mit zitternden Händen vor, dann ging sie zur Schlafzimmertür und überprüfte, ob sie auch verschlossen war. Anschließend kletterte sie in ihr Bett, zerrte die Bettvorhänge zu und sperrte so die Nacht mit all ihren dunklen Versuchungen aus.
Adrian zog sich weiter in die Schatten auf der Seite des Balkons zurück. Er sehnte sich nicht länger nach dem Mondlicht. Er hatte ihm einst vertraut, seine Geheimnisse zu wahren, aber jetzt beleuchteten seine gnadenlosen Strahlen nur die Dunkelheit seiner Seele.
Es war der Mond gewesen, der Zeuge geworden war, wie er hier gestanden hatte, nur durch eine zerbrechliche Glasscheibe getrennt von Carolines Wange, hell wie Alabaster, ihren vollen Lippen, ihrem verlockenden, schlanken Hals. Der Mond hatte gesehen, wie er seine Fingerspitzen auf das kühle Glas gelegt hatte, während er sich danach verzehrte, ihre weiche Haut zu streicheln.
Er wusste, wenn sie in diesem Moment die Augen geöffnet hätte, wäre der Mond nicht länger seine einzige Geliebte. Also war er mit den Schatten verschmolzen und hatte auf das Geräusch gewartet, wie der Riegel vorgeschoben wurde.
Wenn sie seiner Warnung keine Beachtung geschenkt hätte, wäre er damit zufrieden gewesen, heimlich in das Zimmer zu schlüpfen und ihr beim Schlafen zuzusehen, wie er es vergangene Nacht getan hatte? Oder hätte ihn eine dunklere Macht dazu getrieben, sich über sie zu beugen, sie zu schmecken, ihren Mund mit seinem zu bedecken und in so tiefen Zügen von ihr zu trinken, bis er seinen Hunger nach ihr gestillt hatte?
Adrian sank gegen die Wand und schloss die Augen, schwindelig vor Verlangen. Er wusste, sie einmal zu kosten, würde ihm nie genügen. Es würde ihn nur nach mehr dürsten lassen. Er hatte es sich selbst zu lange verwehrt.
Wenn er sich nun auch nur einen einzigen Schluck von ihrer Süße gestattete, wäre er nie zufrieden, nicht, bis sein Hunger sie beide verschlungen hatte.
»Caroline! Caroline, mach die Tür auf. Ich brauche dich!«
Als Portias Schrei ihr umnebeltes Hirn erreichte, rollte sich Caroline auf den Rücken und öffnete mühsam ihre Augen, ihre Glieder vor Erschöpfung bleischwer. Es war beinahe Morgengrauen gewesen, als sie schließlich in einen traumlosen Schlaf gesunken war, und das gemütliche Prasseln der Regentropfen gegen die Fensterscheiben weckte in ihr nur den Wunsch, den Rest des ganzen Tages zu verschlafen. Nach der vergangenen Nacht war sie sich nicht sicher, ob sie es ertragen konnte, Kane oder Vivienne gegenüberzutreten.
Sie verkroch sich unter ihrem Kissen und kuschelte sich tiefer ins Bett.
»Caroline!« Ihre Schwester trommelte mit beiden
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