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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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Er musste sie finden. Und zwar so schnell wie möglich.
    Vom Bus aus rief Nele bei der Erlfelder Taxigesellschaft an und bestellte sich einen Wagen zu der Bushaltestelle, die sieben Stationen von der Schule entfernt war. Sie hatte immer gewusst, dass es ihr irgendwann nützlich sein würde, mit dem Essensgeld, das Mommi ihr gelegentlich zusteckte, sparsam umzugehen.
    Aber dass das Taxi dann auch tatsächlich dastand, als sie aus dem Bus stieg, erschien ihr trotzdem wie ein Wunder– bei all dem Chaos, das sich in der Stadt breitgemacht hatte. Der Fahrer, ein älterer Herr mit schütterem Haar, schien ebenfalls ein wenig angeschlagen zu sein. Er neigte sich immer wieder nervös über sein Lenkrad nach vorn und spähte durch die Windschutzscheibe in den düsteren Himmel.
    »Wird wohl ein Gewitter kommen«, sagte er mehrmals. »Das wird noch ordentlich krachen heute.«
    Nele sagte nichts dazu. Auch der alte Mann musste sich im Klaren darüber sein, dass es keine Gewitterwolken waren, die den Himmel verdunkelten. Aber sie hielt den Mund. Der arme Kerl schien auch so schon verschreckt genug, da wollte sie ihn nicht noch zusätzlich aus dem Konzept bringen, indem sie ihn ansprach.
    Das Haus von Charlottes Eltern stand in einer aufgeräumten Neubausiedlung am Hang stadtauswärts, voll kleiner Einfamilienhäuser mit spitzen Giebeln, farbenfrohen Voile-Gardinen und adretten Vorgärten. Als Nele aus dem Taxi stieg, kämpfte sich gerade die Sonne durch die Wolken und warf ein kränklich gelbes Licht auf die Dachfirste. Im Morgenlicht warfen die Gebäude lange Schatten auf die verlassenen Straßen. Nicht einmal Katzen waren hier zu sehen.
    »Sind Sie auch so müde heute?«
    Die Stimme des Fahrers zitterte ein wenig. Mit leerem Blick starrte er auf den Zwanzig-Euro-Schein, den Nele ihm in die Hand gedrückt hatte. Viel zu viel für die kurze Strecke. Aber Nele nickte nur schnell. »Ja, sehr. Behalten Sie den Rest und legen Sie sich zu Hause eine Runde hin. Das mache ich jetzt auch. Bei der Hitze ist man ja zu sonst nichts zu gebrauchen.«
    Und heiß war es tatsächlich. Seit Nele in der Frühe von daheim aufgebrochen war, war es stetig wärmer geworden. Eine drückende Wärme, die wirklich gut von einem nahenden Unwetter hätte stammen können.
    Der Taxifahrer warf ihr einen unsicheren Blick zu. »Sind Sie sicher, Fräulein? Das ist mehr als der doppelte Fahrpreis.« Er machte sich daran, im Seitenfach der Fahrertür nach dem Beutel mit Wechselgeld zu kramen.
    Nele schüttelte den Kopf. »Ja, schon gut. Ich muss jetzt rein. Vielen Dank und gute Fahrt noch!«
    Damit warf sie die Beifahrertür ins Schloss und schulterte ihren Rucksack. Hinter ihr startete das Taxi den Motor.
    Sie hatte kaum das Gartentor passiert, als die Haustür auch schon aufgerissen wurde und Charlotte auf der Schwelle erschien. Sie war kreideweiß vor Aufregung. Aber vielleicht machte dieses Licht es auch schlimmer, als es war.
    »Nele, endlich! Wir dachten schon, er hätte dich erwischt!«
    Nele beeilte sich, den Kiesweg zum Haus hinter sich zu bringen. Dann drängte sie sich an Charlotte vorbei in einen kleinen Flur. »Das hat er auch.« Sie streifte ihre Sneakers von den Füßen und ließ sie unter dem Garderobenspiegel zu Boden fallen. Das Geräusch der Gummisohlen auf den blanken weißen Fliesen klang ihr eigentümlich laut in den Ohren. Es war so still hier, dachte sie. So ganz anders als in der Schule.
    Im Türrahmen, hinter dem wohl die Küche liegen musste, waren nun auch Aylin und Svea aufgetaucht. Sie wirkten ähnlich erleichtert wie Charlotte– selbst Svea, die bei aller Mühe ihre Fassung scheinbar noch nicht ganz zurückgewonnen hatte.
    »Er hat dich erwischt?« Aylin machte große Augen. »Und was hast du dann gemacht?«
    Nele zuckte die Schultern, obwohl ihr nicht annähernd so lässig zumute war, wie sie vorgab. »Ich hab ihm in die Eier getreten.«
    Charlotte machte ein Geräusch, das halb Glucksen, halb Keuchen war. »Nicht im Ernst!«
    »Doch.« Nele drehte sich zu ihr um. »Was hätte ich denn sonst machen sollen?«
    Darauf hatte offenbar keine der drei eine Antwort.
    »Und er hat dich nicht verfolgt?«, fragte Aylin, ganz offensichtlich eingeschüchtert von Neles Entschlossenheit.
    »Ich habe einen Bus erwischt. Der fuhr in die falsche Richtung, aber das ist wahrscheinlich ganz gut. Dann errät er nicht so schnell, wo ich bin.«
    Svea musterte Nele kritisch. »Trotzdem sollten wir nicht trödeln, oder?«
    Nele schüttelte langsam den

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