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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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verlieren. Sekundenlang verharrte er so, bis er sicher war, seinen Körper wieder voll unter Kontrolle zu haben. Dann hangelte er sich vorsichtig seitwärts das Dach entlang.
    Je weiter er kam, desto stärker wurde Neles Geruch, und nun konnte er sie auch atmen hören. Ansonsten sprach und regte sich dort drinnen niemand. Charlotte und Aylin roch Seth nun nur noch schwach, als wären sie gar nicht im gleichen Raum. Sveas Aroma hingegen hing deutlich in der Luft, und auch sie hörte Seth atmen – ruhig und entspannt, als würde sie …
    Wie erstarrt hielt Seth inne und spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Nein. Das konnte doch nicht bedeuten …? Nein, das durfte sie nicht!
    Hastig kroch er weiter. Ein Stockwerk tiefer rumpelte und klapperte es, als würde dort jemand hastig alle Schubladen herausziehen und auf dem Boden ausleeren. Aber Seth kümmerte sich nicht darum. Er hatte es jetzt sehr eilig. Inzwischen war er direkt über dem offenen Fenster angelangt, und Neles Duft war berauschend nah. So schnell er es wagte, rutschte Seth weiter in Richtung Dachkante, bis seine Füße in der Regenrinne standen. Dann ließ er sich über den Rand gleiten, hielt sich mit beiden Händen an der Dachrinne fest und schwang sich hinunter auf die Fensterbank.
    Vor ihm lag eine Rumpelkammer, ein richtiges Dreckloch. Aber dort, auf dem Bett, dicht neben Svea, lag Nele und bestätigte auf einen Blick Seths schlimmste Befürchtungen. Sie schlief. Und was noch viel schlimmer war: Sie träumte.
    Vor Wut hätte Seth am liebsten geschrien. Eine Traumreise! Das war ohne Zweifel eine Traumreise! Nele träumte Sveas Traum, und es war nicht schwer zu erraten, was sie dort wollte.
    Draußen auf der Treppe waren jetzt Schritte zu hören, und aufgeregte Stimmen wurden laut. Aber Seth achtete nicht darauf. Mit einem Satz war er mitten im Zimmer – und im gleichen Moment flog die Tür auf.
    »Nein!«, keuchte Aylin. Ihr Gesicht war krebsrot vor Aufregung.
    Auch Charlotte stand der Schweiß auf der Stirn. Sie klammerte sich an den Türrahmen, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Das Fenster … Wir sind so dämlich!«, flüsterte sie. Beide Mädchen starrten Seth aus großen, verschreckten Augen an, und für einen Moment schien es, als wollten sie für alle Ewigkeit wie eingefroren dort auf der Schwelle stehen bleiben. Seth wäre das nur recht gewesen. Er interessierte sich nicht für sie. Er musste Nele wecken, und zwar sofort! Er schnaufte abfällig und wandte sich dem Bett zu.
    Da aber kam Leben in Aylin. Sie stürzte ins Zimmer hinein und packte Seth mit beiden Händen am Arm. »Bleib weg von ihr! Ich weiß, wer du bist!«
    Seth schüttelte sie ab wie ein lästiges Insekt. »Halt dich da raus!«, knurrte er und fletschte die Zähne. Ob Nele den beiden nun alles über ihn erzählt hatte, ob sie irgendwie von selbst darauf gekommen waren, oder ob sie blufften – es spielte keine Rolle. Er hatte kein Interesse mehr daran, jedem außer Nele vorzugaukeln, er sei dieser Menschenjunge.
    Aber anders als er erwartet hatte, ließ Aylin sich so leicht nicht einschüchtern. Sie packte Seth erneut, diesmal um die Hüfte, und versuchte noch einmal, ihn vom Bett wegzuzerren. Und auch Charlotte hatte sich inzwischen aus ihrer Schreckenslähmung befreit, drängte sich zwischen Seth und Nele und rammte ihm die Schulter gegen die Brust, sodass er einen Schritt rückwärts gedrängt wurde und beinahe über Aylins Füße gestolpert wäre. Aber er hatte sich rasch gefangen, und es war stattdessen Aylin, die mit einem erstickten Keuchen zu Boden ging. Ein irritiertes Fauchen brach aus Seths Kehle, und er fuhr herum.
    »Wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich mich jetzt schnellstens aus dem Staub machen!«, zischte er. »Bevor ich wirklich böse werde!«
    Charlotte aber reckte das Kinn und ballte die Fäuste. Ihre Augen funkelten angriffslustig. »Ha! Das könnte dir so passen! Da musst du uns schon vorher umbringen!«
    Aylin gab einen erschreckten Laut von sich. »Charlotte!«
    Ein kaltes Lachen stieg Seths Kehle hinauf. Diese aus Angst geborene Kühnheit hätte geradezu niedlich sein können – wenn sie nicht so furchtbar lästig gewesen wäre. »Bring mich nicht auf dumme Gedanken, Mädchen.« Er fixierte Charlotte mit starrem Blick. »Wenn du weißt, wer ich bin, dann weißt du auch, dass du kein Gegner für mich bist.«
    Sie hielt ihm noch einige beeindruckende Sekunden lang stand, ehe sie schaudernd zur Seite sah. Aber sie bewegte sich nicht

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