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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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darauf wartete, dass Seth sich näherte.
    Und das tat er. Ganz langsam und vorsichtig, um ihr keinen erneuten Schock zu versetzen. Dieses Mal durfte nichts schiefgehen. Bei einem dritten Versuch würde Fae sicher doch misstrauisch werden. Oder noch schlimmer – Nele ganz und gar aus den Träumen aussperren, indem sie den Zugang zu ihrer Traumkammer versiegelte. Das konnte Fae, Seth hatte es gesehen. Aber was für eine Verschwendung das wäre! Sie aufgeben zu müssen, das war ein furchtbarer Gedanke. Allein die Vorstellung trieb Seth beinahe Tränen in die Augen.
    »Es tut mir leid«, sagte er, als er schließlich hinter sie trat, und gab sich Mühe, dabei reumütig zu klingen, »dass du dich gestern Nacht so erschreckt hast. Das habe ich nicht gewollt. Ich wusste nicht, dass das Nachtglas dich nicht tragen kann.«
    Langsam drehte Nele sich um und musterte ihn kritisch von oben bis unten. Der Wind spielte sacht mit ihrem Haar.
    »Erzähl mir von diesem Nachtglas«, sagte sie endlich. »Was genau soll das sein? Und wie kann es Glas sein, wenn wir doch darin herumgelaufen sind?« Sie zögerte. »Oder es zumindest versucht haben.«
    Seth hob den rechten Mundwinkel zu einem halben Lächeln. Es war gut, dass sie sich nicht mehr fürchtete. Sehr gut sogar. »Nun ja, es ist natürlich kein echtes Glas«, erklärte er. »Stell es dir mehr wie eine dicke Schicht vor, die zwischen der Traumwelt und der Wirklichkeit liegt. Es kann fest sein, oder flüssig, oder auch wie sehr dicke Luft. Aber es ist noch mehr, es ist auch der Stoff, aus dem die Träume sind. Es kann seinen Zustand ändern, du kannst auf ihm laufen, während du mitten darin bist …« Er hielt kurz inne, als er den verwirrten Ausdruck auf Neles Gesicht sah. »Es ist schwer zu erklären. Mach dir nicht so viele Gedanken darum. Du weißt doch, wir sind in der Traumwelt. Hier gelten andere Regeln.« Er blinzelte ihr zu. »Gerade du solltest das doch wissen – Mädchen, das durch die Träume wandern kann.«
    Jetzt sah sie gleichermaßen verwirrt und erschrocken aus, als sei er einem gut behüteten Geheimnis auf die Spur gekommen. Der Gedanke gefiel Seth. Er verzog spitzbübisch den Mund und trat noch näher an sie heran, sah, wie sie erschrocken die Schultern hochziehen wollte – doch anstatt sie zu berühren, trat er nur an ihr vorbei. So dicht, dass ihre Hände sich beinahe flüchtig streiften. Beinahe.
    Leichtfüßig sprang Seth auf die Wellen, die nur ganz sacht unter ihm nachgaben, wie ein prall gefülltes Wasserbett, und lief ein kleines Stück aufs Meer hinaus. Unter sich konnte er im glasklaren Wasser winzige Fische hin und her huschen sehen, verführerisch schillernd im Sonnenlicht, das sich in den grünblauen Tiefen brach. Zu weit entfernt, um mit ihnen zu spielen, erkannte Seth enttäuscht. Zu weit, um sie zu fangen. Aber sie waren ja auch nicht das, was sich von diesem Ort wirklich zu stehlen lohnte. Ein lautloses Lachen kitzelte seine Lippen, und er drehte sich wieder zu Nele um. Dieses Spiel war wirklich wunderbar.
    »Dinge wie das Nachtglas kann man nicht gut beschreiben. Nur zeigen.« Er streckte ihr die Hand entgegen.
    Nele runzelte die Stirn. Sie zögerte noch, seine Hand zu ergreifen, den ersten Schritt auf das Wasser hinaus zu machen. Und zu ihm hin. »Schon wieder? Wohin gehen wir denn diesmal?«
    Seth lächelte sanft – und beruhigend, wie er hoffte. »An den Ort, an dem das Meer den Himmel berührt.« Ein feines Locken hatte sich in seine Stimme geschlichen, und er spürte, wie das aufgeregte Kribbeln in seiner Brust wuchs und sich durch seinen ganzen Körper ausbreitete. Er würde sie mitnehmen. Diesmal musste es einfach klappen. Er hatte einen Plan. Wenn sie nicht direkt durch das Nachtglas gehen konnte, dann mussten sie eben den Weg durch sein Revier nehmen. »Dorthin, wo die Träume unendlich sind. Traust du dich?«
    »Unendliche Träume …«, wiederholte Nele langsam und lauschte den Worten nach, die im Wispern der Brandung und im Gesang des Windes nachklangen wie ein Echo. Seth sah eine Sehnsucht in ihren Augen, die das Zögern allmählich verdrängte. »Unendliche Wünsche …«
    Langsam, sehr langsam hob sie den Arm und trat näher, ins Meer hinein, bis die Wellen ihre Knie umspülten und den Saum ihres Nachthemdes tränkten. Aber sie war noch nicht überzeugt. Das Wasser trug sie nicht, weil sie es nicht wollte. Ihre Füße wirbelten den Sand auf, die Fische stoben glitzernd davon. Und gerade in dem Moment, als ihre Finger sich

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