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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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Aber den Anfang zu machen, war nicht einfach. Sie brauchte die ganze Dose Seifenlauge, ehe sie sich traute.
    »Hast du dich schon einmal in einem Traum verirrt?«, fragte sie endlich, während sie zusah, wie die letzten Blasen vom leichten Wind davongetragen wurden und eine nach der anderen platzten.
    Jari warf ihr von der Seite einen erstaunten Blick zu. »Wie meinst du das?«
    Nele zuckte unsicher mit den Schultern. »Na ja. Ich meine, hast du schon mal so intensiv geträumt, dass du dachtest, du kannst nicht mehr aufwachen?«
    Jari runzelte die Stirn. »Nein. Um ehrlich zu sein, träume ich gar nicht viel.« Er zögerte kurz. »Nachts, meine ich.«
    Nele hob die Brauen. Ihr erster Impuls war, zu fragen, ob das bedeutete, dass er dann zu anderen Gelegenheiten träumte. Aber das wäre nur ein Ablenkungsmanöver gegen sich selbst gewesen, das wusste sie.
    »Also… mit mir und den Träumen ist das ein bisschen speziell.« Sie spürte ihre Stimme leicht beben und hoffte, dass Jari es nicht hörte. Dass es so schwer sein würde, darüber zu reden, hatte sie sich nicht vorgestellt. »Ich träume sehr viel und sehr intensiv. Um genau zu sein, baue ich mir meine Träume selbst. Ich kann alles entscheiden und alles genauso machen, wie ich will.« Sie schaffte es nicht, Jari weiter anzusehen. Stattdessen starrte sie angestrengt auf die Straße, auf der nun die ersten Scheinwerfer aufleuchteten.
    »Ehrlich? Das klingt doch ziemlich gut«, meinte Jari neben ihr. Aber auch seine Stimme klang nun vorsichtig, als ahnte er, dass mehr dahinterstecken musste.
    Nele nickte langsam. »Im Prinzip ist es das auch. Ich träume eigentlich sehr gern. Aber es war nicht immer so einfach, weißt du.« Ein Schauer lief ihr über den Nacken, allein bei dem Gedanken. »Vor ein paar Jahren habe ich es mal zu weit getrieben. Ich hatte die dumme Idee, in einen Spiegel zu steigen… und dann wäre ich fast nicht wieder herausgekommen. Ich konnte nicht aufwachen, ich kam nicht weg. Überall waren nur noch mehr Spiegel.« Wie von selbst krampften sich Neles Finger um das Geländer, und sie spürte, wie glitschig vor Schweiß ihre Handflächen inzwischen waren. Nele zwang sich, loszulassen und die Hände in den Taschen ihrer Jacke zu vergraben. Aber sie schaffte es immer noch nicht, sich wieder zu Jari umzudrehen. »Das war furchtbar. Ich hatte schreckliche Angst. Es war, als würden diese Spiegel gar nicht zu meinem Traum gehören. Ganz fremd, verstehst du?«
    Jari blieb eine Weile still. Nur seine Fußspitze scharrte ein wenig unruhig im Dreck, der sich in einer Fuge am Rand der Brücke gesammelt hatte. »Aber du hast es doch geschafft«, sagte er schließlich. »Es ist alles gut ausgegangen.«
    Er sagte nicht, er würde es nicht verstehen. Er fragte nicht, wie sie herausgekommen war. Er drängte nicht, bohrte nicht. Und Nele war ihm dankbar dafür.
    Sie nickte. »Ja. Irgendwann ging ich durch einen der Spiegel und war wieder in einem normalen Traum. Warum da plötzlich ein Ausgang war, weiß ich nicht. Aber von da aus war es leicht, aufzuwachen. Danach war ich immer sehr vorsichtig. Es ist nie wieder was passiert. Na ja, zumindest nicht, bis wir hierhergezogen sind.«
    Eine ganze Weile war es neben ihr still, als müsse Jari das Gehörte erst einmal verarbeiten. Dann räusperte er sich. »Du meinst, in den letzten Nächten warst du wieder in so einer Gefahr? Und deshalb hast du so schlecht geschlafen?« Er klang nun eindeutig besorgt.
    Nele seufzte leise. »Ich weiß es nicht«, gab sie leise zu. »Vielleicht. Da ist dieses Wesen, das mich in eine Welt der unendlichen Träume locken will. Seth heißt er. Ich treffe ihn jede Nacht. Er fühlt sich auch fremd an, wie die Spiegel damals– ich meine, so einen blöden Namen würde ich mir doch nie ausdenken!« Sie lachte ein bisschen hilflos.
    Wieder schwieg Jari etliche Sekunden. Und dann plötzlich spürte Nele, wie sich sein Arm um ihre Schultern legte.
    Im ersten Augenblick zuckte sie zusammen und versteifte sich ein wenig. Aber Jari ließ sie nicht los.
    »Kann ich irgendwas machen?«, fragte er leise. »Kann ich… helfen?« Es klang nicht besonders hoffnungsvoll. Aber trotzdem sehr ehrlich.
    Jetzt endlich brachte Nele es fertig, ihm das Gesicht zuzuwenden. Jari musterte sie mit eindringlichem, besorgtem Blick.
    »Du willst mir helfen?«, wiederholte sie ein bisschen verwirrt.
    Jari zuckte die Schultern und lächelte unsicher. Durch den Stoff seiner Jacke spürte Nele die Wärme seines Arms.

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