Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
war ziemlich klar, dass er vorhatte, seine Gefühle zu ignorieren. Sie könnte ihn lassen, und nichts geschähe, oder aber sie ergriff die Initiative.
Samara war kein zartes Pflänzchen und schon gar nicht zimperlich. Wenn sie etwas wollte, dann holte sie es sich normalerweise. Wollte sie Noah? Das war die Millionen-Dollar-Frage. Der Mann war mysteriös, arrogant und arbeitete in einem Bereich, über den sie wenig wusste. Legte sie es auf eine Annäherung an, würde Noah es gewiss nur als Intermezzo betrachten und alles beenden, sobald er nach Paris zurückkehrte. Im Grunde sollte ihr nichts anderes vorschweben … wenn überhaupt etwas. Doch warum wurde ihr dann bei dem Gedanken so komisch?
Sie war nicht der Typ für wahllose Affären und hatte bislang erst zwei ernstere Beziehungen gehabt. Die eine während der drei Jahre auf dem College, die andere mit Jordan über fast ein Jahr.
Wie sie sich letztes Jahr bei der Hochzeit Noah an den Hals geworfen hatte, passte eigentlich nicht zu ihr. Aber irgendetwas machte ihn für sie zu einem reizvolleren Mann als alle, die sie kannte, einschließlich Jordan, und den hatte sie immerhin heiraten wollen. Was bedeutete das?
Bevor sie dieser verblüffenden Erkenntnis länger nachhängen konnte, läutete ihr Telefon. Samara ging sofort dran, froh über jede Ablenkung.
»Hi, Sam, bleibt es beim Racquetball morgen?«
Oh, Mist. Sie hatte vergessen, Rachel anzurufen und ihr zu sagen, dass sie verreisen wollte. »Tut mir leid, Rach, ich wollte es euch neulich Abend schon sagen. Ich fahre für ein paar Tage weg.«
»Ach ja? Wohin fährst du denn?«
»Nach Hause. Ich habe ein bisschen Heimweh nach meiner Familie. Falls irgendwas ist, erreichst du mich auf dem Handy, okay?« Rachel sollte gar nicht erst auf die Idee kommen, bei Samaras Eltern anzurufen.
»Ist alles in Ordnung? Du klingst irgendwie seltsam.«
Weil sie eine miserable Lügnerin war. »Doch, klar, alles bestens.«
»Der Typ, der neulich im Mama Maria’s war, macht dir doch keine Schwierigkeiten, oder?«
Genau genommen schon. »Nein, natürlich nicht. Ich habe meine Leute nur länger nicht gesehen, und meine Mom drängelt schon, dass ich mal wieder zu Besuch komme. Ich dachte mir, ich fahre hin, bevor ich mich ernsthaft nach einem Job umsehe.«
»Okay.« In dem kurzen Wort schwangen reichlich Zweifel mit, aber zum Glück hakte Rachel nicht weiter nach. »Soll ich in der Zwischenzeit deine Blumen gießen?«
»Nein, danke, das macht eine Nachbarin.«
»Wann kommst du zurück? Je eher du nach einem Job suchst, umso schneller hast du einen.«
Samara schmunzelte über die typische Rachel-Weis heit. Ihre Freundin war durch und durch vernünftig. »Ich weiß. Und ich mache mich gleich nach der Rückkehr auf die Suche.«
»Na schön, dann grüß alle von mir, und wir reden, wenn du wieder da bist.«
»Danke, Rach. Bis bald.« Samara legte rasch auf, damit sie nicht noch mehr lügen musste. Eigentlich war sie ein gnadenlos ehrlicher Mensch, und Lügen verursachten ihr regelrecht körperliches Unbehagen. Sobald das hier vorbei war, würde sie Rachel alles erklären. Der Gedanke tröstete Samara ein wenig. Lügen zu erzählen gehörte zu den Dingen, die für Samara unverzeihlich waren, und nun belog sie ihre beste Freundin.
Das Klicken des Schlosses an ihrer Wohnungstür warnte sie vor, dass Noah wieder da war. Samara atmete tief durch. Sie war immer noch nicht sicher, was sie tun sollte.
Ihr hätte klar sein müssen, dass Noah sich gewappnet hatte und umgehend losfeuern würde.
Mit strenger Miene setzte er sich auf den Sessel ihr gegenüber. »Ich denke, wir blasen die Sache lieber ab.«
»Was?«
»Das zwischen uns, das darf nicht sein.« Er hob eine Hand, ehe sie protestieren konnte. »Ich weiß, dass es nicht allein an dir liegt. Aber das ist unerheblich. Wenn wir uns nicht voll und ganz auf die Arbeit konzentrieren, wird etwas schiefgehen. Und das will ich auf keinen Fall.«
»Du meinst also, entweder tun wir, als wäre nichts zwischen uns, oder wir verzichten auf die Chance, das Schwein zu kriegen?«
»Nein, selbstverständlich nicht. Ich finde ihn, allerdings auf anderem Wege.«
Mit anderen Worten: Er hatte ihr die Entscheidung abgenommen. Sollte sie irgendetwas mit ihm anfangen wollen, würde er einfach zur Tür hinausmarschieren, und sie dürfte sich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fragen, ob sie vielleicht hätte helfen können.
»Prima. Von jetzt ab gehen wir strikt professionell vor. Du bist nämlich
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