Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
näherte sich lautlos und beäugte ihn prüfend, um seine Stimmung einzuschätzen, ehe sie etwas sagte. Noah McCall war ziemlich launisch, unverschämt und unberechenbar, alles andere also als ein un komplizierter Mensch. Weshalb konnte Samara trotzdem nicht aufhören zu lächeln?
Noah stand am Herd und bereitete Rühreier zu. Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu. »Frühstück ist gleich fertig.«
Samara schenkte zwei Becher Kaffee ein und stellte sie auf den Tisch. »Brauchst du Hilfe?«
»Nein.«
Okay, dann eben nicht. Samara beschloss, dass er sie ruhig bedienen dürfte und es ihr nichts ausmachte, setzte sich an den Tisch und wartete.
Noah stellte ihr einen Teller mit Ei, Toast und Bacon hin. Er setzte sich ihr gegenüber und stürzte sich auf sein Essen, als wäre er am Verhungern. Sein Kopf war nach unten gebeugt, und eine gespannte Stille umgab ihn.
Samara aß sehr viel bedächtiger. Männer und deren Launen waren ihr vertraut. Dank ihrer Brüder konnte sie bei einem Mann fast jede Stimmung erraten. Noah war allerdings schwieriger zu durchschauen. Es kam Samara beinahe vor, als hätte er sich seine Verschlossenheit richtig antrainiert, so schnell verschwand jeder echte Ausdruck wieder, der in seinem Gesicht aufblitzte. Warum konnte er Gefühle nicht offen zeigen?
»Du musst ein paar Selbstverteidigungstechniken lernen.«
»Wie bitte?«
»Du kämpfst wie ein Mädchen.«
Statt auf seine Beleidigung einzugehen, lehnte sie sich vor und sah ihn an. »Eine Frage: Weißt du überhaupt, wie man anständig mit Leuten redet?«
»Was meinst du?«
»Du hast mich überfallen, mich entführt, mich gefesselt, beleidigt, mir vorgehalten, ich würde dich anbaggern und halb nackt vor dir herumtanzen. Jetzt sagst du mir, ich kämpfe wie ein Mädchen … was übrigens nicht so abwegig ist, bedenkt man, dass ich eines bin, und erzähl mir nicht, das hättest du nicht bemerkt.«
Sein Gesicht war wie versteinert. »Worauf willst du hinaus?«
»Ich will darauf hinaus, dass du dir redlich Mühe gibst, mich zu verärgern, nur um mich auf Abstand zu halten. Und ich frage mich, warum.«
Noah stand auf, nahm ihre leeren Teller und ging damit zur Spüle. »Du hast eine lebhafte Fantasie.« Er drehte sich um und lächelte. »Was ich gestern Abend gesagt habe, stimmt. Du sendest gewisse Signale aus, und ich will nicht, dass du denkst, zwischen uns könnte irgendwas laufen. Und was die Entführung angeht: Hätte ich geglaubt, dass du mir ohne diese Maßnahmen zuhören würdest, wäre ich anders vorgegangen. Du warst diejenige, die ein Gespräch ablehnte, nicht ich.«
Samara erhob sich ebenfalls und nickte, denn so kamen sie nicht weiter. Noah leugnete so hartnäckig, dass er wahrscheinlich sogar noch die Existenz des Wortes Leugnen abstreiten würde.
»Ich räume auf, nachdem du so freundlich warst, das Frühstück zu machen.«
Ein Flackern ging über seine Züge. War er verwundert, weil sie so schnell nachgab? Sie hatte nicht nachgegeben, sondern sich lediglich zurückgezogen. Vor langer Zeit bereits hatte sie gelernt, dass es nicht falsch war, sich zurückzuziehen und eine neue Richtung einzuschlagen. Sie würde eine Weile abwarten, dann suchte sie sich einen anderen Weg, um zu ihm durchzudringen. Ihre Brüder hatten ihr schließlich nicht umsonst den Spitznamen »Bulldozer« gegeben.
»Wenn du fertig bist, komm ins Wohnzimmer. Ich habe ein paar Antworten bekommen, und eine davon könnte von unserem Kerl sein.«
Samara nickte. Sie mochte in einem Katz-und-Maus-Spiel mit Noah stecken, aber sie musste unbedingt bei der eigentlichen Sache bleiben: diesen Mädchen das Leben retten. Noah eine kleine Lektion in Menschlichkeit zu erteilen, wäre ein hübscher Nebeneffekt, doch in erster Linie ging es darum, die Mädchen zu befreien und die Mistkerle zu schnappen, die es auf sie abgesehen hatten.
In der Küche war wenig zu tun, sodass Samara schon wenige Minuten später am Computer saß. Noah klickte die Nachrichten an und ließ sie lesen.
»Was denkst du?«
»Mmm. Der Mission-Ridge-Typ ist es sicher nicht und John auch nicht, weil er entweder noch sehr jung ist oder nicht besonders helle.«
»Ja, genau das war auch mein Eindruck. Ich habe ein bisschen über Brian Sanders nachgeforscht. Er ist, wer er zu sein behauptet – beliebter Junge, spielt Football. Eindeutig ein Highschool-Star. Die Frage ist nur, hat Brian das hier geschrieben? Ich habe einige meiner Leute hin geschickt, die ihn überprüfen. In der
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