Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
Samara nichts verloren hatte.
Zitternd und mit blutendem Herzen dirigierte Samara ihre wackligen Beine in Richtung Fahrstuhl. Auf keinen Fall wollte sie riskieren, dass Noah aus seinem Büro kam und sah, wie sie an der Wand lehnte und sich mit aller Kraft zusammenreißen musste. Eigentlich hatte sie gewusst, was er sagen würde, als sie herkam. Die Bemerkung über Jordan war ein Schlag unter die Gürtellinie gewesen, doch es wunderte Samara nicht, dass er zu allen Mitteln griff.
Allerdings hatte sie sich selbst für stärker gehalten. Noah hatte nichts furchtbar Grausames gesagt, und dennoch war sie beinahe vor ihm zusammengebrochen. Das mit der Vasektomie hatte sie getroffen … es hatte ihr geradezu den Boden unter den Füßen weggerissen. Wie konnte er keine Kinder wollen? Ein solch zutiefst gütiger Mensch wie er wäre ein wundervoller Vater. Ein hysterisches Lachen stieg ihr in die Kehle. Okay, er war eindeutig kein Heiliger, oft sogar ein richtiger Idiot und auf jeden Fall einer der stursten Kerle auf Erden. Aber er war ein verdammt guter Mensch, einer der besten, die sie kannte. Und sie liebte ihn. So einfach war das.
Dank ihres Stolzes schaffte sie es bis ins Erdgeschoss, ohne eine einzige Träne zu vergießen. Die Fahrstuhltüren glitten auf, und Samara stieg aus. Mit einem angestrengten Lächeln winkte sie der schönen, wenn auch übermäßig tätowierten Empfangsdame zu und brachte gerade noch ein »Danke, Angela« heraus. Sie wünschte, sie könnte mehr sagen, denn immerhin hatte Angela sie freundlicherweise unangemeldet nach oben gelassen.
Stattdessen rannte sie blind zur Tür und geradewegs in Jordan hinein, der draußen auf dem schmalen Gehweg stand und offenbar auf sie wartete. Ihn zu sehen brachte das Fass zum Überlaufen. Er konnte kaum »Alles okay?« fragen, da warf sie sich ihm schon laut schluchzend in die Arme.
Seine Umarmung war tröstlich, auch wenn er nicht der Mann war, von dem sie gehalten werden wollte. Aber wenigstens durfte sie sich an seiner Brust ausheulen. Derweil murmelte er beruhigend auf sie ein und küsste sie aufs Haar, wie es ein Vater täte.
Schließlich wich sie zurück und lächelte ihn beschämt an. »Entschuldige. Ich konnte es nicht länger zurück halten.«
Jordan deutete zur Tür. »Soll ich ihm kräftig in den Hintern treten?«
Schniefend löste sie sich aus seinen Armen. »Nein, danke. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er sich selbst in den Hintern treten.« Sie küsste Jordan auf die Wange. »Richte Eden aus, dass ich sie anrufe … in ein paar Tagen. Vorher habe ich noch einige Sachen zu erledigen. Bis dann.«
Mit diesen Worten ließ sie den sichtlich verwirrten Jordan stehen. Sie konnte ihm nicht erklären, was sie vorhatte, denn er würde entweder versuchen, es ihr auszureden, oder es Noah verraten, der dann sicher prompt nach Birmingham käme, um sie zusammenzustauchen. Zwar wollte sie Noah wiedersehen, mehr als alles andere, aber noch nicht. Er hatte seine Chance gehabt. Nun zog sie sich zurück und richtete ihre Energie auf anderes. Im letzten Monat hatte sie zu viel gelernt, um diese Kenntnisse zu vergeuden. Sie besaß einige neue Fertigkeiten, und die wollte sie weiter ausbauen.
Als der Scheck von LCR einging, war sie wütend gewesen. Eden hatte sie beruhigt und erklärt, dass sie genauso großzügig bezahlt wurde wie jeder Agent. Das Geld war keine Beleidigung, sondern der Lohn für gute Arbeit. So betrachtet, konnte sie es annehmen und Pläne schmieden, was sie damit anfangen würde.
Ihre Erfahrung in Mississippi hatte sie eine wertvolle Lektion gelehrt, die sie nicht einfach abhaken konnte. Das Versprechen, das sie sich selbst gegeben hatte, galt nach wie vor. Nie wieder wollte sie wehrlos den Mitchell Stoddards dieser Welt ausgeliefert sein. Wohin ihre Pläne sie schließlich führten, würde sich zeigen.
Und falls es Noah McCall nicht gefiel … nun, das wäre ein ziemlich wünschenswerter Nebeneffekt.
Noah stampfte in seiner Wohnung umher, unfähig, die Sorge in seinem Innern abzustellen. Edens amüsierte, gelassene Haltung machte ihn erst recht verrückt. »Eden, verdammt, du musst doch eine Ahnung haben, wie es ihr geht!«
Eden lehnte sich in ihrem Lieblingssessel zurück und bemühte sich kein bisschen, ihr selbstzufriedenes Lächeln zu verbergen.
»Du könntest wenigstens besorgt tun«, sagte Noah scharf.
Ihr rauchiges Lachen zerrte an seinen Nerven. »Ich kann nicht anders. Das hier ist eine solch treffende Umkehrung der üblichen
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