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Wenn Die Seele Verletzt Ist

Wenn Die Seele Verletzt Ist

Titel: Wenn Die Seele Verletzt Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sautter
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auszuprobieren, verwendet er seine Energie nicht mehr auf einen hoffnungslosen Kampf gegen sich selbst, sondern darauf, sich in seinen Reaktionen zu verstehen und die Zuordnung zu den auslösenden traumatischen Ereignissen herzustellen. Sobald die Zuordnung zum Trauma gelingt, wird der Nutzen des Verhaltensmusters klar. Die vormals unverständliche emotionale Reaktion wird in Verbindung mit dem Trauma nachvollziehbar, was den Klienten ungeheuer erleichtert. Damit wird es ihmmöglich, bessere und dem heutigen Kontext angemessenere Verhaltensweisen auszuprobieren und letztlich das auszuwählen, was ihm heute entspricht.
    Im folgenden Kapitel befassen wir uns erst einmal mit den seelischen Strukturen, die durch eine Traumatisierung entstehen. Danach beschäftigen wir uns mit den durch Trauma verursachten Symptomen und Symptomkomplexen.
     
     
    Der Vorteil von Kontrolle und Sorgen
     
    Trauma bedeutet in erster Linie einen schwerwiegenden Kontrollverlust. So jung der Mensch, der ein Trauma erlebt hat, auch gewesen sein mag, es wird sich in ihm der feste Wille bilden, so etwas nie wieder geschehen zu lassen. So dient die ausgeprägte Neigung zu kontrollieren dem Zweck, das ganze Leben in möglichst überschaubare Einheiten zu unterteilen, um die Regie zu behalten. Spontanes Handeln ist gefährlich und wird vermieden, denn das Trauma kam überraschend, und der Betroffene hat gelernt, daß Überraschungen schlimm und belastend sind. Häufig versuchen so geprägte Menschen, ihre Mitmenschen ebenfalls lückenlos zu kontrollieren, da sich Traumaopfer erst dann entspannen können, wenn sie zu jeder Zeit wissen, wo sich der Partner aufhält und was genau und mit wem er etwas tut. Dies führt nicht selten zu schweren Konflikten in Beziehungen. Wenn man einem solchen Menschen rät, sich zu entspannen und einfach loszulassen, verkennt man den Nutzen, den die Kontrolle für den Betroffenen hat. Das Kontrollbedürfnis eines Traumaopfers entspringt ja nicht seinem Wunsch, andere zu dominieren und ihnen den eigenen Willen aufzuzwingen. Traumaopfer versuchen mit Hilfe der Kontrolle, den unerträglichen Druck, den die Unsicherheit des Lebens in ihnen auslöst, in den Griff zu bekommen. Das wird von den Betroffenen selbst als lästig und anstrengend empfunden, doch erst wenn sie wissen, daß sie sich durch ihr Kontrollieren vor einer erneuten Traumatisierung schützen wollen, kann es ihnen gelingen, Sicherheit aus anderen Ressourcen – aus Fähigkeiten und Fertigkeiten – zu beziehen.Bestand das Trauma aus einer frühen Trennung von geliebten Bezugspersonen wie Mutter oder Vater und wurde diese Unterbrechung nicht ausgeglichen kann sich daraus Angst vor Nähe entwickeln. Wir nennen ein solches Trauma „Verlassenheitstrauma“. Auch Menschen, die als Kleinkinder vernachlässigt wurden und unsicher oder unsicher ambivalent (siehe dort) gebunden waren, können sich nicht wirklich auf die Beziehung zu einem Menschen einlassen. So geprägte Menschen neigen dazu, ihren Partnern nicht wirklich zu vertrauen. Sie greifen ebenfalls zum bewährten Mittel der Kontrolle, um sich vor einem erneuten Verlassenwerden zu schützen. Häufig sind sie sehr eifersüchtig, auch wenn objektiv kein Grund dazu besteht, und verlangen immer neue „Beweise“ für die Treue ihrer Partner.
    Die Ehefrau eines unserer Klienten notierte sich zum Beispiel täglich die gefahrenen Kilometer auf dem Tageszähler des Geschäftswagens ihres Mannes. Sie wußte, wie weit sein Weg zur Arbeit war, und wenn er danach nach Hause kam, kontrollierte sie die gefahrenen Kilometer. Wenn der Mann einen Geschäftstermin hatte, setzte sie sich ins Auto und fuhr den Weg genau nach, um zu überprüfen, ob er nicht doch einen Abstecher zu einer Geliebten hätte machen können. Tragischerweise treiben so geprägte Menschen ihre Partner oft langsam, aber sicher wirklich in eine Außenbeziehung oder zu einer Beendigung der Partnerschaft.
    Ein als Kind vernachlässigter und unsicher oder unsicher ambivalent gebundener Mensch kann seinem Partner nicht glauben, daß er sich wirklich für ihn entschieden hat. Im Gegenteil ist er fest davon überzeugt, daß sein Partner insgeheim immer auf dem Absprung ist. Er ist enorm mißtrauisch, legt jedes Wort auf die Goldwaage und nimmt die Trennung innerlich mit allen Schrecknissen vorweg. Diese Vorwegnahme des Schrecklichen ist eine weitere Möglichkeit, ein Trauma zu vermeiden. Wenn man immer mit dem Schlimmsten rechnet, kann man davon nicht überrascht

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