Wenn Die Seele Verletzt Ist
zu tun haben. Vom Wetterbericht, Straßenschildern oder Autokennzeichen bis zu Nachbarn und zufällig vorbeigehenden Passanten wirkt die gesamte Umwelt unmittelbar persönlich auf ihn ein, was ihn außerordentlich erregt und ängstigt. Diese Wahrnehmungsstörung wird auch Beziehungswahn genannt. Dagegen ist ihm sein eigener Körper fremd. Dies kann in eine totale Erstarrung münden, in der sich der Kranke weder bewegt noch äußert.
3. Sein Denken ist in dem Sinne gestört, als es nicht mehr zielgerichtet ist. Assoziationen werden für den Außenstehenden scheinbar zusammenhanglos aneinandergereiht. Häufig brechen Sätze einfach ab, Worte werden wiederholt oder Gedanken enden ohne Ziel.
4. Die Gefühle sind verflacht. Der Schizophrene reagiert unangemessen, lacht zum Beispiel in Situationen, die nicht lustig sind. Er zieht Grimassen, wird plötzlich aus keinem erkennbaren Grund wütend oder bricht in Tränen aus.
Im ICD 10 im Kapitel F2 wurde versucht, die Erscheinungsbilder der Schizophrenie in drei Hauptformen einzuteilen, je nach den Symptomen, die jeweils vorherrschen. Bei der paranoiden Schizophrenie stehen Verfolgungswahn, Beziehungswahn und Halluzinationen im Vordergrund. Bei der hebephrenen Schizophrenie, die eher bei jungen Menschen auftritt, sind es die Veränderungen im Gefühlsleben, die am meisten auffallen. Die Stimmungen sind den Situationen nicht angemessen, das Denken ist verfahren, das Verhalten ziellos. Die katatone Schizophrenie kommt in Industrieländern aus ungeklärten Ursachen nur noch selten vor. Hier stehen Störungen im Bewegungsablauf im Vordergrund wie Erstarrung, sinnlose motorische Aktivitäten und das freiwillige Einnehmen und Verharren in bizarren Körperhaltungen. Daneben gibt es einige Mischformen, von denen die am häufigsten vorkommenden auch im Kapitel F2 erfaßt sind.
Eine Schizophrenie kann ganz unterschiedlich verlaufen. Es kommt durchaus vor, daß die Krankheit nach einem einzigen akuten Schub nie wieder auftritt. Häufig sind die Erkrankten zwischen den Schüben völlig symptomfrei. Es gibt aber auch heute noch Formen, die sich gegen jede Art von Behandlung resistent zeigen und chronisch werden.
Die Schizophrenie erzeugt unter nicht Erkrankten die meiste Angst. Viele glauben, daß Schizophrene eher zu Gewalttaten neigen als andere. Obwohl es immer wieder spektakuläre Angriffe von psychisch Kranken wie etwa auf Wolfgang Schäuble, Oscar Lafontaine und Anna Lind gibt, geht nur ein verschwindend geringer Prozentsatz schwerer Gewaltverbrechen auf das Konto von Schizophrenen. Die meisten Gewaltverbrechen werden von Menschen begangen, die als Kinder in ihren Familien mißhandelt und mißbraucht wurden.
Interessierten, die mehr über psychotische Erkrankungen wissen wollen, empfehlen wir die Bücher aus dem Psychiatrie-Verlag, in dem Betroffene ihre Erfahrungen aufgeschrieben haben und der psychotische Schub sozusagen aus erster Hand nachvollzogen werden kann.
Besondere Aufmerksamkeit sollten wir den Menschen widmen, die in einer Familie aufwuchsen, in der Vater oder Mutter psychisch krank waren, wobei die Psychose häufig gar nicht diagnostiziert wurde. Das Schlimmste für die Kinder ist immer, daß sie sich nie auf den Kranken verlassen konnten, nie wußten, in welcher Stimmung sie ihn antreffen würden, und häufig dazugezwungen waren, den Wahn zu teilen. Wir kennen sowohl Klienten, die solch eine Belastung auf Grund ihrer Resilienz und guter stützender Faktoren unbeschadet überstanden haben, als auch Menschen, die alle Symptome einer schweren Traumatisierung zeigen. Geschwister können völlig unterschiedlich auf psychotische Eltern reagieren.
Häufig wird die Frage gestellt, ob Psychosen, besonders aber Schizophrenie vererbbar seien. Die Genetik scheint durchaus eine Rolle zu spielen, doch wird immer wieder hervorgehoben, daß darüber hinaus die Empfindlichkeit des Kindes und das Familienklima (Doublebinds) ausschlaggebend seien. Wenn alle drei Faktoren zusammentreffen, scheint das Risiko erhöht zu sein, doch man kann keineswegs wie zum Beispiel bei Windpocken vorhersagen, daß die Krankheit dann in jedem Falle ausbrechen werde. Die Diskussion darüber ist auch in Expertenkreisen noch nicht abgeschlossen. Abschließend ein Wort zu den Behandlungsmöglichkeiten dieser schweren Krankheiten. In bestimmten Kreisen haben Psychopharmaka einen denkbar schlechten Ruf, besonders dann, wenn sie Kindern zum Beispiel in Form von Ritalin verabreicht werden. Viele
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