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Wenn Die Seele Verletzt Ist

Wenn Die Seele Verletzt Ist

Titel: Wenn Die Seele Verletzt Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sautter
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Gegenteil unter einer ungeheuren Anspannung, die sie pausenlos zu Aktivitäten zwingt. Vielen ist die nachfolgende Depression lieber, weil die furchtbare Spannung dann endlich nachläßt.
    Wenn Menschen etwas sehen, hören oder fühlen und danach handeln, das andere nicht wahrnehmen, sprechen wir von einem Wahn. Die meisten kennen Wahnideen bei alten Menschen, die zum Beispiel fest davon überzeugt sind, bestohlen zu werden oder zu verarmen. Dies hat mit einem durch das Alter veränderten Hirnstoffwechsel zu tun, der medizinisch Altersdemenz und vom Volksmund „Verkalkung“ genannt wird. Angehörige und Altenpfleger kennen dieses Phänomen und wissen, daß es nicht oder nur sehr kurzzeitig gelingt, die Menschen aus ihrem Wahn zu lösen.
    Als Praktikantin in einem Krankenhaus betreute ich eine alte Frau, die etwa zwanzigmal am Tag ihr gesamtes Bett abzog, weil dieses ihrer Wahrnehmung nach von mehreren Hunden beschmutzt worden war. Sie ließ sich kurzfristig beruhigen, wenn ich mit ihr zusammen Zimmer und Bett absuchte und sie sich davon überzeugen konnte, daß die Hunde den Raum verlassen hatten und das Bett wieder bezogen wurde. Spätestens eine halbeStunde später waren die Hunde wieder da und das Bett wieder abgezogen. Wenn jüngere Menschen einen solchen Wahn entwickeln, sprechen wir von einer Psychose. Häufig besteht der Wahn in der festen Überzeugung, verfolgt zu werden.
    Eine Klientin berichtete von ihrer Kindheit. Sie lebte mit ihrem Bruder und ihrer Mutter zusammen in einem kleinen Haus. Die Mutter war fest davon überzeugt, daß das ganze Haus verwanzt sei und sie abgehört werde. Sie beschuldigte die Nachbarn, sie ständig zu beschatten, um sie zu entführen. Aus diesem Grund verließ sie das Haus nicht mehr und die Rolläden vor den Fenstern waren immer geschlossen. Die Mutter hörte auf, sich und ihre Kleidung zu waschen und das Haus zu putzen; sie blieb die meiste Zeit im Bett. Die Kinder kochten, wuschen die Wäsche und versuchten, einigermaßen über die Runden zu kommen. Die Familie lebte vom Unterhalt, den der Vater der Kinder zum Glück regelmäßig zahlte. Dieser Zustand fiel über mehrere Jahre niemandem auf, auch dem Vater nicht, der die Kinder nie besuchte. Als die Kinder ihre Berufsausbildung begannen, suchten sie für die Mutter eine kleinere Wohnung. Das Haus befand sich in einem so furchtbaren Zustand, daß es vom Gesundheitsamt nicht für eine erneute Vermietung freigegeben wurde. Erst in unserer Praxis erkannte die Frau, daß ihre Mutter psychisch krank war und wahrscheinlich an einem Verfolgungswahn, möglicherweise sogar unter Schizophrenie litt.
    Verarmungswahn kann sich auch darin äußern, daß Menschen nichts wegschmeißen können. Sie werden in den USA „messies“ genannt (engl. a mess – Chaos, furchtbares Durcheinander). Es wird grundsätzlich alles gehortet, nichts darf weggeworfen werden, auch keine Essensreste, so daß mit der Zeit verfaulte und verschimmelte Lebensmittel die Wohnung mit ihrem Gestank erfüllen. Berge von Papier und Müll stapeln sich in den Zimmern, so daß immer weniger Platz zum Leben bleibt. Ein Klient, der in einer solchen Familie aufgewachsen war, berichtete, er habe nie Freunde mit nach Hause nehmen können, weil es in ihrer Wohnung unerträglich gestunken habe. Der Junge versuchte sein Möglichstes, konnte jedoch nur dann aufräumen, wenn die Mutter nicht zu Hause war, was selten genug geschah. Wenn ganz bestimmte psychotische Symptome gemeinsam auftreten, sprechen wir von einer Schizophrenie. Es gibt verschiedene Formen dieser Erkrankung, die sich bei jedem individuell äußert. Doch gibt es eine Anzahl gemeinsamer Symptome, an Hand derer eine Schizophrenie diagnostiziert wird.
     
    Die wichtigsten Kennzeichen sind:
     
    1. Das Ich und alle anderen Menschen haben keine Grenzen; auch die Grenzen zur Welt sind verschwommen. Aus diesem Grunde sind Schizophrene sowohl außerordentlich verletzbar wie auch verletzend. Der Patient kann nicht mehr sagen, wer er ist. Er nimmt Stimmen wahr, die ihn beeinflussen, oder sieht Menschen, die außer ihm keiner sieht (Halluzinationen), gegen die er sich nicht wehren kann. Er kann sich als Abgesandter einer höheren Macht oder als Botschafter der Außerirdischen fühlen und in deren Auftrag Handlungen ausführen.
     
    2. Der Erkrankte hat Wahrnehmungsstörungen in dem Sinne, daß er Dinge als zusammengehörig und bedeutsam empfindet und diese auf sich bezieht, die im allgemeinen Realitätskontext nichts mit ihm

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