Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)
in seinem
dunklen Haar, glättete es zerstreut, während sie über seinen
Vorschlag nachdachte. Es schien ein fairer Handel zu sein: seine
Vergangenheit gegen die ihre. Doch Cara wusste nicht, ob sie wirklich
den Mut aufbringen würde, Edan vom dunkelsten Kapitel ihres Lebens
zu erzählen. Es kostete sie unglaublich viel Überwindung allein die
Gedanken daran zuzulassen. Außer ihrer Familie wußte niemand etwas
von Devaliers Grausamkeiten, und selbst ihren Eltern hatte sie nie
alles erzählt. Die wirklich schlimmen Erniedrigungen und
Demütigungen, die Devalier ihr angetan hatte, hatte sie immer für
sich behalten. Aus Furcht und aus grenzenloser Scham. Sie hatte all
die furchtbaren Erinnerungen weggesperrt, verdrängt und verbannt. In
den hintersten Winkel ihrer Seele – dort sollten sie auch für den
Rest ihres Lebens bleiben.
„Cara?“ Edan hatte
den Kopf fragend zur Seite gedreht und wartete gespannt auf ihre
Antwort. Nur zu gern würde er erfahren, wie sie an diesen
Schweinehund geraten war und was er mit ihr gemacht hatte. Er hatte
zwar eine ungefähre Vorstellung davon, aber solange er nichts
Genaues wusste, würde er immer wieder Gefahr laufen, Cara ungewollt
zu verletzen und sie damit wieder in ihr Schneckenhaus zurücktreiben.
Er hörte ihr zwiegespaltenes Seufzen und verstand ihr Zögern nur
allzu gut. Die Wunden auf ihren Seelen mochten zwischenzeitlich zwar
verheilt sein - sie wieder aufzureissen, wollte dennoch gut überlegt
sein.
Edan wartete geduldig. Er
spürte ihr warmes Gewicht auf seinem Rücken und konnte geradezu
hören, wie ihre Gedanken sich im Kreis drehten. Er selbst war alles
andere als wild darauf, noch einmal die Tore zu seiner eigenen Hölle
zu öffnen. Aber für Cara würde er es tun. Wenn sie das Gleiche für
ihn tat. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Irgendwann hörte er ihre
zittrige Stimme an seinem Ohr flüstern: „Fang an!“
Edans Kopf sank abrupt
ins Kissen. Er atmete tief und lange durch.
„Was willst du
wissen?“, fragte er mit angespannter Stimme.
Cara überlegte. Wieder
dauerte es eine Weile, bis sie ihm schließlich antwortete. „Das
Bild mit der Küste! - Warum soll ich es abhängen, obwohl es dich
doch so offensichtlich fasziniert?“
Edans Gedanken schweiften
unwillkürlich zu dem Bild, das immer noch unverändert auf der
gegenüberliegenden Wand, am Fußende seines Bettes hing. Er sah im
Geist die raue, schöne Küstenlandschaft vor sich. Die Sonne, die
blutrot im Meer versank und dabei die schroffen Felswände zum
Erglühen brachte. Möwen segelten im Abendrot und hielten Ausschau
nach den besten Schlafplätzen in den Felsnischen, auf denen er als
Kind herumgeklettert war, um ihre Eier zu stehlen. Er glaubte das
Rauschen des Meeres zu hören und in seiner Nase hatte er plötzlich
diesen unverwechselbaren Duft von Seetang und ...
„Kennst du die Küste?“,
holte ihn Cara wieder zu sich zurück, während sie winzige Küsse
auf dem dunklen „M“ auf seiner Schulter verteilte. Edan nickte
langsam.
„Ja“, flüsterte er
rau. „Es ist die Küste bei Penzance in Cornwall!“
„Deine Heimat in
England, nicht wahr?“
Wieder nickte Edan nur
stumm. Er spürte, wie die Erinnerungen dunkel und machtvoll in ihm
aufzusteigen begannen.
„Hast du ... Heimweh?“,
fragte sie leise. Wieder antwortete er nicht gleich.
„Manchmal.“
„Möchtest du England
gerne wiedersehen?“ Edan zögerte auffallend lange mit der Antwort.
„Das wäre höchst
ungesund!“
„Warum?“
„Weil dort der Henker
auf mich wartet!“
Kapitel
26
Falmouth
Castle, Grafschaft Cornwall, 1810
„ Sagt,
dass das nicht wahr ist!“ Alles Blut war aus dem ebenmäßigen
Gesicht von Lillian Chandler gewichen. Für einen winzigen Moment sah
sie ihren Mann, den vierten Earl of Falmouth, fassungslos an. „Das
wird ihn umbringen!“
Charles
Chandler lachte sarkastisch auf. „Schön wär's! Euren verfluchten
Bastard konnte bislang noch nichts und niemand umbringen! Nicht mal
der Teufel will ihn haben!“ Bei dem Gedanken an seinen
erstgeborenen Sohn, begann Charles Chandler böse mit den Zähnen zu
knirschen. „Bei der Marine ist Euer Bastard bestens aufgehoben.
Harte Zucht, Drill und Ordnung werden ihn endlich zu einem wertvollen
Mitglied unserer Gesellschaft machen!“
„ Hört
auf ihn Bastard zu nennen! Er ist keiner! Egal wie oft Ihr diese
Aussage wiederholt – sie wird dadurch nicht wahrer! Edan ist Euer
leiblicher Sohn und rechtmäßiger Erbe!“ Lillian
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