Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)
empfindliche Haut. Nichts davon war bei Edan
Chandler zu sehen. Es gab nicht die geringste Ähnlichkeit. Weder zu
Charles Chandlers Familie, noch zu der von Lillian. Edan hatte
rabenschwarze Locken, dunkle Augen, war groß und schlank. Im Sommer
sah er nicht nur aus wie ein Zigeunerkind, er benahm sich auch so.
Edans Haut war dann meist gebräunt, seine Kleider oft zerschlissen,
weil er sich lieber mit dem Gesinde herumtrieb, als in der Lernstube
zu sitzen und zu lernen. Edan sah nicht nur völlig anders aus, er
schlug auch völlig aus der Art.
Seine
Lehrer, mit Ausnahme der Reit-, Waffen- und Jagdlehrer, stöhnten und
beklagten sich nur über den ungezogenen, kleinen Bastard. Sie
bezeichneten Edan als faul, gewalttätig und von so minderer
Intelligenz, dass er nie in der Lage sein würde, den Erwartungen und
Ansprüchen eines künftigen Earls zu entsprechen. Ganz im Gegensatz
zu seinem zwei Jahre jüngeren Bruder William. Dieser war seinem
Vater wie aus dem Gesicht geschnitten und ein begeisterter, sehr
kluger Schüler. Er verschlang alle Bücher, die ihm in die Hände
fielen. Selbst die, die eigentlich für Edan bestimmt waren. Die
beiden Brüder hätten unterschiedlicher nicht sein können. Der eine
belesen, angepasst und pummelig; der andere unruhig, aufmüpfig und
dumm.
Die
Gräben zwischen den beiden ungleichen Brüdern wurden noch breiter,
je stärker die Gerüchteküche brodelte. Als Edan mit sieben Jahren
zum ersten Mal ganz offen als Kuckuckskind bezeichnet wurde,
eskalierte der Streit zwischen Charles und Lillian Chandler. Der Earl
unterstellte seiner Frau immer öfter Ehebruch, und verzweifelte
schier daran, dass er ihr nichts nachweisen konnte. Lillian Chandler
sah nicht nur aus wie eine Madonna, sie führte auch das Leben einer
solchen. Mustergültig und enthaltsam.
Hinzu
kam, dass er ja aus eigener Erfahrung wusste, wie ablehnend und
feindselig Lillian der körperlichen Liebe gegenüberstand. Es war
schlichtweg unvorstellbar, dass dieser Eisklotz von Frau, sich einem
anderen Mann hingegeben haben sollte. Das gesamte Feuer der Hölle
würde nicht ausreichen, um diese Eiskönigin zum Schmelzen zu
bringen. Vorher brachte eher Lillian die Flammen der Hölle zum
Erfrieren.
Auch
eine Liaison vor der Ehe war vollkommen ausgeschlossen. Edan war
keine Frühgeburt und Lillian in der Hochzeitsnacht noch Jungfrau
gewesen. Charles Chandler wollte nur zu gerne glauben, dass dieser
dunkelhaarige, glutäugige Sohn von ihm war. Doch jedes Mal wenn sein
Blick auf diesen wilden und unberechenbaren Bengel fiel, sagte ihm
sein Blut, dass dieser Junge nicht von seinem Fleisch war.
Die
Abneigung gegen seinen ältesten Sohn wurde mit jedem Tag größer,
ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Hinzu kam, dass er den
Zweitgeborenen, William, unbewusst bevorzugte. Dieser vereinte alle
Tugenden eines künftigen Earls in sich: Er war hochintelligent,
strebsam, höflich, gehorsam, besaß aber auch die notwendige Portion
Hinterhältigkeit, die man nun mal fürs Leben brauchte. Je mehr er
William den Vorzug gab, desto mehr stellte sich Lillian schützend
vor Edan. Dabei war sich Charles Chandler sicher, dass Lillian ihren
Erstgeborenen schon immer bevorzugt hatte. Sie hatte es sich nur nie
anmerken lassen. Doch ihr Blick bekam einen ungewohnt weichen Glanz,
wenn sie diesen schwarzhaarigen Bastard tröstete oder wieder einmal
vor seiner verdienten Strafe schützte.
Der
Riss zwischen den Eheleuten wurde immer größer und sprang
irgendwann auch auf die beiden ungleichen Brüder über. William
hielt bedingungslos zu seinem Vater, Edan zu seiner Mutter.
Je
größer die Kälte zwischen ihren Eltern wurde, desto größer wurde
auch die Feindschaft und Rivalität zwischen den beiden Brüdern.
William war Edan körperlich hoffnungslos unterlegen. Er fürchtete
sich vor seinem großen, unberechenbaren, wilden Bruder. Obendrein
wurmte es William zutiefst, dass sein dummer und talentfreier Bruder
vom Personal abgöttisch geliebt und beschützt wurde. Wohin gegen
das Personal ihn, William, bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit
auflaufen ließ. Noch mehr neidete er Edan jedoch den Erfolg bei den
Mädchen. Egal wie sehr er, William, die Mädchen mit seiner
Belesenheit und Intelligenz auch beeindruckte, - küssen wollten sie
immer nur Edan.
Überhaupt
schien diesem Bastard alles in den Schoß zu fallen. Vor allem die
Liebe ihrer Mutter. Seit frühester Kindheit wünschte sich William
nichts sehnlicher, als von seiner Mutter nur einmal so
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