Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)
spitzte
nachdenklich die Lippen.
„Weißt
du, dieses komische Gefühl im Bauch, das nennt man Instinkt“ ,
sagte der alte Ire geheimnisvoll. „Ich zum Beispiel, muss meine
Mitspieler nicht mal mehr beobachten. Ich weiß fast immer schon im
voraus wie sie spielen werden! Irgendwie kann ich es fühlen! Und
deshalb gewinne ich auch so oft!“ Der Alte kratzte sich
nachdenklich am Kopf. „Weißt du Edan, ich glaube dieses
Bauchgefühl, das man auch Instinkt nennt, das kann man nicht lernen.
Entweder man hat es, oder hat es eben nicht!“
„ Und
– glaubst du ich habe es auch?“ In Edans Augen begann es
hoffnungsfroh zu leuchten.
Der
alte O'Shea sah sich den kleinen, eifrigen Jungen genauer an.
„ Warte!
- Ich frage mal kurz meinen Bauch!“ Der Alte schloss die Augen und
bewegte stumm seine Lippen. Nach einer Weile öffnete er sie wieder
und sah Edan mit seinen alten, milchigen Augen listig an. Voller
Spannung schaute der kleine Junge zu dem alten Iren auf.
„ Und
– habe ich es auch, O'Shea?“
„Worauf
du einen lassen kannst , Edan!“
Kapitel
27
Irgendwann
machte es Edan nichts mehr aus, in die Sattelkammer gesperrt zu
werden. Er freute sich auf die Zeit mit dem alten O'Shea, der immer
mehr zu einem väterlichen Freund für ihn wurde. Damit ihm niemand
auf die Schliche kam, tobte Edan zu Anfang immer laut, wild und
wütend in der Sattelkammer umher. Sobald er leiser wurde, öffnete
O'Shea ihm die Tür. Dass ihr kleines Geheimnis all die Jahre nie
aufflog, war dem ausgeklügelten Kommunikationssystem unter dem
Personal zu verdanken. Obwohl sich auch die Dienstboten untereinander
nicht immer grün waren, warnten sie O'Shea doch rechtzeitig mit
Pfiffen, wenn sich der Earl oder William der Sattelkammer näherten.
Das Personal mochte und beschützte Edan, vielleicht deshalb, weil
der hübsche Bengel trotz Verbots immer wieder mit den
Gesinde-Kindern spielte. Edan scherte sich nicht um Rang und Namen,
sondern nur darum, ob er jemanden mochte oder nicht. Überhaupt
suchte der kleine, tapfere Junge häufig die Nähe der Dienstboten.
Er aß lieber bei Luisa in der Küche, als am großen Familientisch.
Er hasste die kalte und unpersönliche Atmosphäre dort. Sein Vater
unterhielt sich bei Tisch hauptsächlich mit William. Seine Mutter
und er erhielten oft nur ein höfliches Kopfnicken zur Begrüssung.
Dennoch bestand Charles Chandler darauf, dass die Familie das Dinner
gemeinsam einnahm, wenn er da war.
Je
älter, größer und stärker Edan wurde, desto unüberbrückbarer
wurde die Kluft zwischen ihm und seinem Vater. Mit fünfzehn Jahren
war Edan bereits einen Kopf größer als sein Vater, durchtrainiert
und strotzte nur so vor Kraft. Körperlich konnte ihn sein Vater
nicht mehr züchtigen und die Drohungen, ihn wegen Ungehorsams und
groben Undanks zu enterben, schreckten Edan schon lange nicht mehr.
Zu oft hatte er diesen Satz in seiner Kindheit gehört und er
zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass sein Vater auch Wege finden
würde, um dies wahrzumachen. Für Edan war längst klar, dass sein
Vater unter allen Umständen versuchen würde, den Titel an William
zu vererben. Egal wie.
Je
stärker der Einfluss seines Vaters schwand, desto stärker begann
Edan über die Stränge zu schlagen. Er wusste, dass sich sein Vater
und sein Bruder vor seinem unberechenbaren Temperament und seinen
unkontrollierten Gewaltausbrüchen fürchteten. Wenn ein gewisser
Punkt überschritten war, dann wurde Edan zu einem rasenden Stier.
Wie ein Vulkan brach es dann aus ihm heraus und er zerstörte mit
unglaublicher Wut alles, was sich ihm in den Weg stellte. Dann
schreckte er vor keinem Gegner zurück – sei er größer, stärker,
mächtiger oder gefährlicher. In diesen Momenten war es sogar egal,
welche Konsequenzen dies nach sich ziehen würde. Seine
Gewaltausbrüche waren gefürchtet – bei seinen Lehrern, bei seinem
Bruder und bei seinem Vater.
Das
ungehobelte Wesen des jungen Edan Chandler und die Grabenkämpfe mit
seinem Vater blieben natürlich auch den adligen Nachbarn nicht
verborgen. Die Matronen der Gesellschaft hielten ihre Töchter
möglichst eng bei sich, wenn der junge, wilde Chandler-Spross sich
einmal die Ehre gab, seinen Vater und seinen Bruder zu einem der
vielen Bankette und Bälle zu begleiten. Doch das geschah nicht sehr
häufig, denn Edan fühlte sich in der parfümierten und glatten Welt
des „Tons“ nicht wohl. Im Gegensatz zu seinem Bruder und seinem
Vater hatte er weder Interesse an der
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