Wenn die Sinne erwachen - Teil 2 (German Edition)
Höllentempo
davongeprescht war. Rücksichtslos jagte er über die bestellten
Felder der Bauern, kümmerte sich nicht um deren empörte Schreie und
den Schaden, den die Hufe seines Pferdes dabei anrichteten. Wie von
Dämonen getrieben, hetzte er sein Pferd stundenlang durch die
Gegend, bis die Tränen auf seinem Gesicht getrocknet waren und er
plötzlich vor der Dorfschenke stand. Ohne zu zögern ging Edan
hinein und bestellte sich großspurig eine ganze Flasche Whiskey. Was
er bekam, war jedoch nur ein Glas Milch, das ihm der Wirt, unter dem
schallenden Gelächter der anwesenden Männer, unter die Nase hielt.
„ Das
ist eher was für Euch, Viscount of Truro!“, nannte ihn der Wirt
spöttisch bei seinem vollen Adelstitel, obwohl ohnehin jeder in der
Schenke wußte, wer er war.
Edan
spürte wie es erneut in ihm hochzukochen begann. Er liebte die Hure
seines Vaters! Sein Mädchen kroch zu seinem verhassten Vater ins
Bett – und würde es auch künftig tun! Und er konnte nichts
dagegen machen! Wieder begann er heftig gegen den Würgereiz in
seiner Kehle anzukämpfen. Sein Herz krampfte sich schmerzlich
zusammen. Das Gelächter der Männer klang wie Hohn in seinen Ohren
und brachte sein Blut mehr und mehr in Wallung. Als das Gelächter
gar nicht mehr aufhören wollte, wischte er mit einer wütenden
Handbewegung das Glas Milch vom Tisch, und griff den völlig
verdutzten Wirt brutal am Kragen. Mit böse funkelnden Augen zischte
er ihn an: „Eine Flasche Whiskey - oder ich schlag Euch tot!“
Der
Wirt zuckte unwillkürlich zurück, als er die brodelnde Wut in den
nachtschwarzen Augen des jungen Viscounts sah. Von dem halbwüchsigen
Kerl ging plötzlich etwas derart Bedrohliches aus, dass der Wirt
eilig auf dem Absatz kehrt machte und eine Flasche Whiskey holen
ging. Verunsichert stellte er sie vor Edan auf den Tisch. „Wollt
Ihr gleich bezahlen?“
Edan
kramte in seiner Hosentasche und warf achtlos ein paar Schillinge auf
den Tisch. „Wenn das nicht reicht, - wendet Euch an meinen Vater!“
Gegen
Mitternacht standen sechs leere Whiskey-Flaschen auf dem Tisch, Edan
lag besinnungslos unterm Tisch – dafür hatte er aber plötzlich
jede Menge neuer Freunde gewonnen. Diese banden den bewusstlosen
Viscount unter Gejohle auf sein Pferd und schickten es mit einem
Klaps nach Hause.
Edans
Vater tobte, als ihm der Wirt aus der Dorfschenke die Rechnung
präsentierte. Das halbe Dorf freihalten und sich dann
alkoholvergiftet ins Bett legen! Nicht mal zum Sterben ist er Manns
genug , raste der Earl ohne jegliche Gewissensbisse. Wenn er daran
dachte, dass dieser schwarze Bastard mit dieser Eskapade den Matronen
der Gesellschaft schon wieder neues Futter und Munition geliefert
hatte, wurde er noch wütender. Das Haus Chandler geriet zunehmend in
Verruf! Seine Autorität als Familienoberhaupt und Respektsperson
wurde von diesem kleinen Bastard in aller Öffentlichkeit mit den
Füssen getreten! Das musste auf der Stelle ein Ende haben! Charles
Chandler wusste, die Einzige, die diesen Nestbeschmutzer jetzt noch
zur Räson bringen konnte, war seine Mutter.
Kapitel
28
Lillian Chandler saß am
Bett ihres Sohnes und strich ihm mit zittrigen Fingern, die feuchten
Haare aus der Stirn. In den letzten beiden Tagen war sie durch die
Hölle gegangen. Die Angst um Edans Leben hatte sie nicht eine
Sekunde schlafen lassen. Wenn sie es wagte sich von seinem Bett zu
entfernen, dann nur, um in der Kapelle inbrünstig für ihn zu beten.
Sie flehte zu Gott und zu sämtlichen Heiligen, man möge ihr um
Himmels Willen nicht das Einzige nehmen, wofür es sich überhaupt
noch zu leben lohnte. Man durfte ihr Edan nicht nehmen! Nicht nach
allem, was sie seinetwegen auf sich genommen hatte!
„Mutter?“ Als Lillian
Edans heiseres Krächzen hörte, fiel sie innerlich auf die Knie und
dankte dem Himmel von ganzem Herzen. Sie konnte es nicht verhindern,
dass ihr vor lauter Erleichterung Tränen in die Augenwinkel traten.
„Ihr weint, Mutter?“
Lillian winkte ab, als ob dies nicht der Rede wert sei.
„Ich bin so froh, dass
du wieder da bist, Edan!“, lächelte sie ihn zärtlich an. Mit
einem Tuch tupfte sie ihm die Schweißperlen von der Stirn. Er hatte
diese unsägliche Alkoholvergiftung überlebt. Das war das Einzige,
was zählte. Seine dunklen Augen schauten sie verwirrt und
verständnislos an und für den Bruchteil einer Sekunde hatte Lillian
das Gefühl, in die Vergangenheit versetzt zu sein, zu zwei ähnlich
nachtschwarzen Augen, die im
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