Wenn die Sinne erwachen - Teil 3
gedankenverloren auf das schlammig-braune Wasser des Mississippis hinaus starrte.
Es war ein unglaublich schwül-heißer Augusttag, doch Cara schien weder die heißen Temperaturen, noch das Getöse der vielen Raddampfer und Steamer wahrzunehmen, die stromauf und -abwärts schnauften.
Schweigend starrte sie auf den großen, trägen Fluss, als könnte sie dort eine Antwort für das finden, was sie innerlich beschäftigte und nicht zur Ruhe kommen ließ.
Seit vier Wochen war Cara ungewöhnlich ruhig und verschlossen. Sie stürzte sich geradezu in ihre Arbeit, nahm viel mehr Waschaufträge an, als sie eigentlich bewältigen konnte, jätete penibel ihre Gärten und verarbeitete mehr Duftpflanzen zu Cremes und Seifen, als sie überhaupt verkaufen konnte.
Hätte Maré nicht darauf bestanden, dass Cara ihr an diesem Nachmittag beim Baden Gesellschaft leistete, wäre sie vermutlich wieder in einem ihrer Gärten verschwunden, um wie eine Besessene darin zu schuften – trotz der enormen Hitze.
Maré wußte längst, was mit ihrer Tochter los war, auch wenn diese bislang kein einziges Wort darüber verloren hatte. Die kluge Santeria-Priesterin hatte es bereits in dem Augenblick gewusst, als Cara an jenem frühen Sonntagmorgen vor vier Wochen schlechtgelaunt auf den Hof geritten kam.
Ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, war Maré an diesem Morgen ausnahmsweise sehr zeitig aufgestanden, um auf der Veranda in aller Ruhe einen starken Kaffee in der noch kühlen Morgenstille zu trinken.
Schweigend hatte sie zugesehen, wie Cara ihre alte Stute versorgte, und dann mit versteinertem Gesicht zu ihr auf die Veranda getreten war.
Mit einem kurzen Gruß und einem gemurmelten „Ich bin müde!“, war sie an ihr vorbeigeeilt und schnell im Haus verschwunden. Es war offensichtlich, dass Cara ihrer Mutter nicht erklären wollte, wo sie erst jetzt, so spät am frühen Morgen, herkam.
Aber Maré wusste es auch so. Der typisch süßlich, stechend-scharfe Liebesgeruch, der Cara wie eine Wolke umgab, verriet Maré unmissverständlich, dass ihre Tochter die Nacht in den Armen eines Mannes verbracht hatte.
Der Intensität des Geruches nach, musste es eine sehr heiße und leidenschaftliche Nacht gewesen sein, zumal Maré in Caras Aura, auch die mächtige und verführerische Liebesgöttin Oshún erspüren konnte!
Diese zitterte und glühte noch immer derart stark nach, dass Maré eine ungefähre Ahnung davon bekam, wie heiß und stark das Feuer der Leidenschaft in dieser Nacht gebrannt haben musste!
Damit war Maré aber auch sofort klar, in wessen Armen ihre Tochter gelegen hatte. Es gab nur einen einzigen männlichen Orisha, der in der Lage war, Oshún so mächtig und so heftig zum Erzittern zu bringen: Changó, der Gott des Feuers und des Blitzes!
Dieser starke, männliche Orisha verkörperte sich zur Zeit allerdings nur in einem einzigen Mann, den Maré kannte: in Edan Chandler!
Eigentlich hatte Maré nichts gegen die Wahl ihrer Tochter einzuwenden. Edan Chandler war ein guter Mann, ein sehr guter Mann sogar. Wenn es da nur nicht diese magische, wie verhängnisvolle Anziehungskraft zwischen Changó und Oshún gäbe.
Denn wenn diese beiden Orisha-Götter aufeinandertrafen, gab es genaugenommen nur zwei Möglichkeiten: Entweder verloren sich beide hemmungs- und rettungslos im Rausch der Sinne, oder aber sie bekämpften sich mit der gleichen Leidenschaft bis aufs Blut!
Dieses Mal schien der Rausch der Sinne gesiegt zu haben.
Wie eine Duftmarke haftete Edan Chandlers Geruch an Cara, und Maré zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass auch Cara ihr Revier markiert hatte.
Dennoch schienen sich Cara und Edan aus irgendeinem Grund nicht einig zu sein. Cara war trotz ihrer Arbeitswut auffallend missmutig, mundfaul und gereizt.
Sie verließ den Riordan-Hof nur dann, wenn es unumgänglich war, um beispielsweise saubere Wäsche auszufahren, oder wenn sie auf dem French Market zwingend Cremes und Seifen verkaufen musste, bevor diese verdarben.
Es war ganz offensichtlich, dass Cara Begegnungen mit Edan Chandler um jeden Preis vermeiden wollte. Was gar nicht so einfach war, denn zweimal wöchentlich musste sie in seinem Haus am Jackson Square nach dem Rechten sehen und seine schmutzige Wäsche holen, die sie dann bei sich zu Hause wusch.
Bislang hatte Cara Edans Haus immer nur dann betreten, wenn sie genau wusste, dass er nicht da war. Django war ihr dabei eine große Hilfe. Bewusst oder unbewusst hielt ihr Bruder die gesamte Familie
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