Wenn die Wahrheit nicht ruht
Wahrscheinlich in der Hoffnung, das Krankenhaus verklagen zu können. Wie das bei Hausärzten so läuft, hatte er aber noch ganz viele andere Fälle. So rutschte die Akte Ihres Mannes immer tiefer und tiefer und geriet in Vergessenheit. Bis zu Timos Telefonanruf.“
„Aber wie…?“
„Timo hatte mit meinen Informationen und der Vermu tung auf einen unnatürlichen Tod eine völlig neue Ausgangslage. Er hatte eine Ahnung, wonach er suchen musste. Damals wäre keiner a uf die Idee gekommen, dass das G anze nicht mir rechten Dingen zugegangen ist. Also hat man es bei der oberflächlichen Betrachtung belassen und den Fall als erledigt abgelegt. Und genau darauf hat der Mörder spekuliert. Sein Plan ist vollständig aufgegangen.“
„Und wer soll das getan haben? Das ist doch alles Schwachsinn!“ Sören vermochte die Ungeduld in seiner Stimme nicht zu verbergen. „Dein Vater ist schuldig u nd muss dafür bestraft werden!“ U nd weit weniger energisch fügte er an Leonie gewandt hinzu: „Oder ich erledige das. Aber dann muss ich leider auch dich erledigen.“
Noch bevor Leonie begriff, packte Sören sie fest am Arm. Eine entsetzliche Vorahnung veranlasste sie, ihren Blick zu senken. Da entdeckte sie sie. Sören hatte eine zweite Waffe bei sich - und die Mündung war direkt auf Leonie gerichtet.
Im ersten Augenblick schockiert, wich ihr Entsetzen schnell einem anderen Gefühl. Ein Gefühl des Elen ds. Sie stand mit dem Rücken zur Wand. Nur ein Ausweg war gangbar. Derjenige mit den wenigsten Opfern. Langsam hob sie erneut die Arme. Die Waffe fest im Griff. Sie zitterte nicht mehr.
Als hätte sie es schon tausendmal gemacht, entsicherten ihre Finger ganz von selbst die Pistole und schlossen sich dann um den Abzug. Verena hatte sich inzwischen wieder gefangen und während sie ihre Tochter beobachtete , breitete sich dasselbe siegessichere Lächeln auf ihrem Gesicht aus, wie es Sörens Züge erhellte.
Nur einmal noch wandte sie den Kopf von ihrem Ziel ab und versenkte ihren Blick in Sebastians Augen. Und sie erkannte seinen Schmerz. Der Schmerz, der auch der ihre war. „Es tut mir so leid.“ Sie flüsterte es nur, aber er hörte sie. Er deutete nur ein leichtes Kopfnicken an, doch sie verstand. Tief einatmend richtete sie den Blick wieder auf Heinz , der einfach nur ruhig dastand und wartete. Ihre Handflächen waren trotz der Kälte schweissnass. Sie musste sich konzentrieren. Noch einmal atmete sie tief ein, richtete sich zu ihrer vollen Grösse auf und - drückte ab.
Mit einem dumpfen Knall löste sich der Schuss. Und exakt in diesem Augenblick stürzte sich Sebastian auf Sören. Er erwischte ihn mit voller Wucht und riss ihn um. Überrumpelt durch den überraschenden Angriff glitt Sören die Waffe aus der Hand und landete irgendwo im Schnee. Während er verzweifelt versuchte, Sebastian abzuwehren, tastete er immer wieder danach. Aber Sebastian holte mit der Rechten aus und erwischte Sören schmerzhaft am Kinn. Wutentbrannt versuchte dieser mit der flachen Hand Sebastians Kopf wegzudrücken, um sich etwas mehr Bewegungsfreiheit zu schaffen. Und es gelang. Sören konnte sich soweit strecken, dass er an das kleine Messer in seinem Gürtel herankam. Ohne zu zögern zog er heraus und stach ziellos zu.
Er erwischte Sebastian unterhalb des Schlüsselbeins. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zuckte jener zurück. Sofort nutzte Sören seinen Vorteil und schlug mit ganzer Kraft gegen die verletzte Schulter. Dabei stemmte er seinen Körper vom Boden weg, womit er Sebastian in einer schnellen Bewegung von sich schieben und sich selbst in eine bessere Lage bringen konnte. Er richtete sich halb auf und brachte sich wie ein Footballspieler in erneute Angriffsposition. Während d essen rappelte sich auch Sebastian auf. Die gesunde Hand hatte er schützend über die verletzte Schulter gelegt. Jetzt zog er sie weg und nahm seinen Gegner ins Visier. Wie auf Kommando stürmten beide gleichzeitig aufeinander zu.
„Aufhören!“ Die grelle Stimme durchschnitt die Luft wie eine scharfe Klinge. Weshalb , konnte niemand sagen, aber alles schien zu gehorchen. Gleichzeitig richteten sich alle Blicke in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war .
Breitbeinig stand Verena im Schnee, die blonden Haare wehten wild um ihren Kopf, während sie mit beiden Händen Sörens verlorene Pistole umschlossen hielt und auf Sebastian zielte. „Deine Familie nimmt mir nicht noch einmal einen Mann! Lass ihn los oder ich bring dich um !“
Nachdem
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