Wenn die Wahrheit nicht ruht
einer schlechten Zaubershow juckte Verena auf, als sie ihren Namen hörte und schritt emsig zur Tat. Bisher hatte Leonie nicht bemerkt, dass Verena in einer ziemlich unbequemen Pose ausgeharrt hatte.
Erst, als sie ihren Arm bewegte, sah Leonie, dass Verena die Hand leicht verdreht im Schatten de r Türöffnung verborgen hielt. Unweigerlich schoss Leonie ein Gedanke durch den Kopf. Was hatte dieser Bastard mit ihrer Mutter angestellt? Von plötzlicher Sorge erfüllt, trat sie einen Schritt auf ihre Mutter zu, doch als wäre sie gegen eine unsichtbare Mauer geprallt, stockte sie in der Bewegung und taumelte entsetzt w ieder einige Schritte zurück. Ungläubig starrte sie auf die dunkle Türöffnung. Erst blitzte eine Reihe von silbern schimmernden Elementen auf, aber noch bevor Leonie sich fragen konnte, ob das wirklich die Glieder einer solide n Kette war en , endete n sie auch schon zwischen zwei schwieligen Objekten, die derart geschunden waren, dass sie kaum mehr als Hände identifiziert werden konnten.
In erwartungsvoller Anspannung verfolgte Sören mit leuchtenden Augen seine Inszenierung und die Reaktion der einzelnen Darsteller. „Endlich. Vergangenheit und Gegenwart treffen aufeinander und verschmelzen zu der einen Geschichte, die sie eigentlich schon immer war en .“
Leonie hörte nicht hin. Auf den Ruck, mit dem Verena an der Kette zog, stolperte eine geschwächte Gestalt in d en schwachen Schein der Nacht. D as Gesicht war deutlich erkennbar schmutzig und mit Blut überströmt. Weitere unidentifizierbare dunkle Stellen breiteten sich über die ganz e sichtbare Haut aus. Und davon gab es in Anbetracht der eisigen Temperaturen viel zu viel. Denn die Person trug zu seinen massiven Winterstiefeln und der Jeans lediglich ein rot kariertes Holzfällerhemd.
Leonie wollte das Herz zerspringen. „Heinz?“ Da versagte ihr die Stimme. Sie fühlte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Flehend sah sie zu Sören. Der schien nur darauf gewartet zu haben. „Ja, traurig, nicht wahr? Hier hast du ihn, wahrlich und l eibhaftig, den Mann, der deinen Vater getötet und dich sowie deine Mutter um viele Jahre Familienglück gebracht hat. Und dein lieber Freund, sein Sohn“, in einer dramatischen Geste deutete Sören auf Heinz, “hat von alledem gewusst und dir nichts gesagt.“
Verständnislos muster t e Leonie Sören. „Was erzählst du mir da?“
Jetzt hatte er die gewünschte Aufmerksamkeit. Alles lief wie geplant. Dass Verena dasselbe dachte, stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Triumphierend lächelnd stand sie daneben und hielt ihren Gefangenen in Schach.
„Sebastian ging noch einmal zu Heinz. Alleine, wie er glaubte. Er hat ihn wiederum nach den damaligen Vorfällen gefragt, fast so, als hätte er , auch ohne die Antwort zu hören, schon mehr gewusst. Seine Ahnung hat er dir aber auch verschwiegen. Stimmt’s?“
Leonie nickte nur schwach.
„Ich hab ’ s gewusst. Dieser verlogene Schweinehund! Wie dem auch sei, Heinz hat ihm eine rührselige Geschichte dreier Männer aufgetischt, die nicht nur das Dorf unter Kontrolle hatten, sondern auch Heinz. Und alles wegen Geld. So hat er wohl auch einiges dafür bekommen, das s er deinen Vater umgemäht hat. Ungestraft kam er davon! Aber das war schon immer so, nicht wahr ? “ Nun richtete Sören seinen Blick auf Heinz und sah ihn wutentbrannt an. „ Immer habt ihr die Schuld eurem auserwählten Sündenbock aufgebürdet, nie habt ihr selbst dafür gerade gestanden. Ihr habt sein Leben zerstört! “
Leonies Blick huschte von Sören zu Heinz und zurück. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Sören mit dieser Inszenierung nicht nur ihr und ihrer Mutter einen Gefallen tun wollte. Die Konzentration auf die einzelnen Bausteine dieses bizarren Erlebnisses bewirkte, dass Leonie ihr aufgewühltes Inneres etwas beruhigen konnte. „Sören, hier geht es doch nicht mehr nur um mich und Verena. Oder?“
Mit einmal Mal verhärteten sich Sörens Gesichtszüge. Die Kiefermuskeln spannten sich deutlich an und die sonst so hellen , strahlenden Augen nahmen di e dunkle Farbe sturmgepeitschter Meere an. Die Hände zu Fäusten geballt, traten die Fingerknöchel weiss hervor. „Nein, es ging nie nur um dich oder Verena. “ Wieder an Heinz gewandt, fuhr er fort: „ Ihr habt auch meinen Vater zerstört. Dabei hat er nichts getan!“ Langsam trat er auf Heinz zu. Seine Umgebung schien er vergessen zu haben. Heinz schüttelte den Kopf, aber der Knebel hinderte ihn am
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