Wenn die Wahrheit nicht ruht
Lokal. Die Köpfe der beiden Frauen drehten sich synchron in Richtung Tür, bevor sich ihre Blicke wieder trafen. Als hätten sie es vorher geübt, begannen beide gleichzeitig zu sprechen. „Na dann los!“
Es stellte sich heraus, dass Angela und Leonie das perfekte Team waren. Reibungslos meisterten sie den Abend und machten ganz nebenbei ein ziemlich ansehnliches Trinkgeld. Als es dann ans Aufräumen ging, kümmerte sich Leonie um die passende Musik, bevor sie sich den Wischmopp schnappte und ihn als putzenden Tanzpartner missbrauchte. Sebastian trat in dem Moment ein, als Roxette zum Refrain von Must have been love ansetzte, was Leonie dazu animierte wie ein Hurrikan herumzuwirbeln. Der Mopp verfehlte Sebastian nur um H aaresbreite. „Hoppla! Entschuldige!“ Lachend tauchte sie das Wischwerkzeug in den Kessel, zog es wieder heraus und wollte ihren Tanz fortführen. Doch ein Blick auf Sebastian , wie er in voller Grösse vor ihr stand, brachte sie spontan auf einen anderen Gedanken. Sie streckte ihm auffordernd die Hand entgegen. Sebastian hatte für diese Geste nur einen entgeisterten Gesichtsaudruck übrig. „Danke, aber nein danke.“ Und ohne ein weiteres Wort setzte er seinen Weg fort. Leonie sah ihm nach, zuckte mit den Schultern und schnappte sich wieder ihren Mopp. „Ein steifes Kerlchen, dieser Sebastian. Gutaussehend, aber steif. So ganz anders als Sascha. “
„Hm?“ Angela hob den Kopf und schob sich mit dem Handgelenk eine Strähne aus der Stirn.
„So schlimm ist er nicht. Im Gegenteil. Wie viel Ehrlichkeit erträgst du?“
„Einiges. Warum?“
„ Sebastian hat einige Vorurteile. Er ist ein ziemlich fleissiges, attraktives Kerlchen und gehört zu den begehrtesten Junggesellen des Dorfes, das entgeht auch den Touristinnen nicht. Nur hält er eben nicht sehr viel von oberflächlichem Getue.“ Angela stellte das polierte Weinglas beiseite und nahm das nächste zur Hand, bevor sie fortfuhr. „ Alle deine Vorgängerinnen waren schlank, schön und meist auch ziemlich von sich selbst überzeugt. Da Sebastian diese Allüren an einer Frau nicht ausstehen kann, ist er ihnen meist aus de m Weg gegangen. Dummerweise wirken die gutaussehenden zurückhaltenden Typen auf die meisten Mädels äusserst anziehend. B ei jeder einzelnen löste diese Zurückhaltung den Drang aus , unseren Sebastian zu erobern . Jede glaubte wohl, sie wäre die Eine. Diejenige, mit dem besonderen Etwas, das ihn knackte. Aber jedes Mal rannten sie gegen eine Mauer . Und keine einzige brachte die nötige Ausdauer auf, die Voraussetzung für echtes Interesse wäre, denn nach kürzester Zeit warfen sie sich allesamt Sascha an den Hals, was wiederum Sebastian in seiner Ansicht bestätigte . Aber dieser Ablauf ist genau nach Saschas Geschmack .
E r weiss um Sebastians Abneigung und um die Reaktion der Frauen darauf. E r weiss auch, dass für die Mädchen das Abenteuer Sebastian dann erledigt ist , wenn sie ihn knacken können oder er sie lange genug links liegen lässt.
Sascha , auch ein Junge, bei dem Gott nicht geknausert hat, kennt seine Wirkung auf Frauen. Er könnte genauso umgarnt werden wie Sebastian. Sich rar zu machen, ist ihm aber zu anstrengend. Er will mit Frauen möglichst ohne U mschweife ins Bett und das bekommt er, indem er einfach wartet , bis sie mit Sebastia n fertig sind. Dann springt er ein, um die angekratzten Egos der Frauen wieder aufzubauen, indem er ihnen zeigt , dass sie durchaus begehrt we rden. Dank dieser Taktik musste Sascha bisher kaum Aufwand betreiben, trotzdem wurden sie alle seine Gespielinnen. Sascha hat sie nie verarscht, es war auf beiden Seiten immer klar, dass nur guter Sex das Ziel war und nicht mehr. Aber das wirkte sich natürlich nicht unbedingt positiv auf Sebastians Meinung über die Frauen aus, die Sascha einstellt. Also hat er auch über deine Persönlichkeit bereits entschieden, als er dich gesehen hat.“
„Tatsächlich? Passe ich derart in das Beuteschema?“
„Perfekt sogar. Lange , gerade , rote Haare, ein hübsches schmales Gesicht mit einem vollen Mund und riesig en Smaragdaugen, ein süsses Stup snäschen, umgeben von Sommersprossen . Dazu sitzt dein schlanker Körper auf ebenso schlanken Beinen. Vollbusig bist zu zwar nicht, aber das war dafür die L etzte, daher ist jetzt wieder eine angenehme Handvoll angesagt.“ Von den deutlichen Worten überrumpelt stand Leonie mit heruntergeklappter Kinnlade da.
„Wow, das ist richtig ehrlich. Und ich dachte, Sebasti an
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