Wenn die Wahrheit nicht ruht
er sie erkennen möge.
Für Leonie war es eine quälend lange Zeit, bis Marc endlich die Augen öffnete und sich umsah. Auch für Marc schien der Augenblic k ewig anzudauern. Die Augenli der waren so schwer, die Sicht verschwommen und der Ort derart ungewohnt, dass er die aufsteigende Panik entschlossen hinunterschlucken musste. Einzig die leichte Berührung auf seinem Arm füh lte sich angenehm bekannt an.
Nach und nach begannen sich seine Sinne zu schärfen und der Verstand wurde wieder klarer. Er wollte seine andere Hand über die kleine auf seinem Arm legen, hielt aber inne, als der Infusionsschlauch sich bewegte . Also entzog er sich , wenn auch nur ungern, dieser wohltuenden Berührung, um seiner Tochter über das Haar zu streicheln. Diese reagierte sofort, schmiegte ihr Gesicht in seine grosse Hand und liess ihren Kopf dann an Marcs Seite auf das Bett sinken .
„Verena ?“ Es war kaum mehr als ein K rächzen, auf das e in rauer Hustenanfal l folgte, der nun auch endlich Verena aus ihrer Starre riss.
„Ich bin hier!“ Sie eilte auf die andere Seite, goss aus dem bereitstehenden Krug einen Becher Wasser ein un d führte den Stroh halm, der das T rinken erleichtern sollte, zu Marcs Mund. Dieser begann gierig zu trinken. Als der Bech er leer war, liess er sich dank bar in die Kissen zurücksinken.
„Ihr habt mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt.“ Das Sprechen klappte noch ni cht so, wie er es wollte, fürs E rste reichte es aber.
„ Wir dir?“, r ief Verena entrüstet aus.
„ Aber sicher. Ich dachte schon, du würdest nie wieder mit mir sprechen.“
Kurz blitzte der alte, beinahe vergessene Ärger in Verenas Augen auf. Aber selbst sie wusste, dass es der falsche Zeitpunkt war, ihrem Ehemann weiterhin zu grollen. „ Und deshalb lässt du dich anfahren? Ein wenig mehr Geduld hätte es auch getan.“
„Ich wollte auf Nummer s icher gehen.“ Ein schwaches Lächeln umspielte Marcs Lippen. „Was ist da oben eigentlich passiert?“
„Weiss t du das etwa nicht mehr? Du wurdest angefahren!“
Sosehr Marc auch in seinem Gedächtnis kramte, die Erinnerung an den Unfall und an alles , was bis zum jetzigen Erwachen geschehen war, fehlte vollständig . „Angefahren? Ich weiss nur noch, wie ich gewartet habe, bis ihr an einem Ort wart, an dem ihr keinen anderen Weg mehr nehmen konnte t und dann bin ich in unglaublichen Schneeverhä ltnissen die Piste runter. Als N ächstes wache ich hier auf und ich schätze, die Schläuche und diese piepsenden Geräte haben nichts Gutes zu bedeuten.“
„ Da kam ein Mann aus dem Nichts, hat dich umgefahren und ist geflohen. Die Polizei sucht nach ihm. Du hast innere Verletzung en abbekommen und wurdest operiert. Die Ärzte sagen aber, sie hätten es in den Griff bekommen und du würdest wieder gesund werden . “
„Wow.“ Das musste Marc erst einmal verdauen. „ Da scheint mein Schutzengel ganze Arbeit geleistet zu haben .“ Innerlich sandte er ein kleines Dankeschön in Richtung Himmel .
Nach vielen Stunden der Wache an Marcs Krankenbett kam der Moment, da sich Verena dafür entschied, zurück nach Grächen zu fahren und sich einigen organisatorischen Massnahmen zu widmen. Sie musste z usehen, dass sie jemanden von zu H ause auftreiben konnte, der das Auto holte und am besten vorher noch belud. Dann brauchte Marc noch einige Dinge für das Krankenhaus, wie Kleidung, seine Toilettentasche und etwas zu r Unterhaltung. Abgesehen davon musste sie sich Gedanken darüber machen, was sie mit Leonie anstellen sollte. Am beste n war, sie würde auf schnellstem Weg nach Hause gebracht. Die Kontaktaufnahme mit den Gro sseltern schien am naheliegendsten .
Doch Leonie dachte nicht daran, mit ihrer Mutter zurück in die Wohnung zu gehen. Keinesfalls wollte sie weg aus diesem Krankenhaus, schon gar nicht aus diesem Zimmer und erst recht nicht von diesem Bett. Wie eine kleine Katze rollte sie sich an Marcs Seite ein , der seiner Frau schulterzuckend einen beschwichtigenden Blick zuwarf. „ Lass sie “ , s agte sein Ausdruck, den Verena mit einem Kopfnicken guthiess.
Mit etwas Mühe fand sie die Postautohaltestelle und das richtige Postauto dazu. Nachdem sie eingestiegen war und sich alleine mit ihren Gedanken wiederfand, musste sie sich eingestehen, dass es genau die richtige Entscheidung gewesen war, d ie Kleine bei ihrem Vater zu lassen. So hatte sie niemanden , der ihr in die Quere kam, während sie versuchte für Ordnung zu sorgen.
Wie sich einige Kilometer
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