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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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nicht erinnern, aber an grüne Augen schon?“ Sie hielt kurz in ihrer Wanderung inne, was Sören beruhigte, denn er fürchtet bereits, sie würde einen Graben in den Fussb oden laufen. Er trat auf sie zu. „Zugegeben, so allgemein gesagt, klingt das unglaubwürdig. Aber genau betrachtet“, wieder suchte er ihren Blick, „sind solche Augen einfach aussergewöhnlich und unvergesslich. So etwas sieht man keine zwei Mal im Leben.“
    Aufseufzend liess Leonie die Hände sinken. „Das alle s ist nur so verwirrend. Nichts ahnend komme ich in dieses Dorf, gehe Skifahren, falle auf die Schnauze und werde deshalb von einer Vergangenheit erschlagen, die aus irgendwelchen Gründen vergessen bleiben sollte. Oder weshalb hätte mich meine Mutter sonst anlügen sollen, wenn wirklich ich das da oben gewesen sein soll?“ Die Vermutung nun auch noch auszusprechen, versetzte ihr einen Stich, der ihr beinahe d en kaum vorhandenen Mageninhalt zutage befördert hätte.
    „Herrgott, Leonie, du bist ja auf einmal so blass! Komm, setz dich.“ Mit besorgter Miene führte Sören Leonie zum Bett und hiess sie, sich zu setzen. Dann setzte er si ch neben si e und nahm sie in den Arm. Auf einmal schrecklich erschöpft , liess sie vertrauensvoll ihren Kopf an seine Schulter sinken und sog seinen ihr nur zu gut bekannten Geruch ein. Beruhigend streichelte er über ihr langes Haar. Dann liess er die Hand i n ihren Nacken gleiten und schliesslich ihren Hal s entlang, über das Schlüsselbei n zu ihrer Schulter und zurück. Leonie war zu aufgewühlt, um einen klaren Gedanken zu fassen und liess ihn gewähren. Auch dann, als seine Hand erst über ihren Brustansatz und dann unter den Saum des Hemdausschnitts glitt, hielt sie ihn nicht auf.
    Ein erregendes Zittern durchlief ihren Körper und sie atmete leise seufzend aus. Dies fasste Sören als Einverständnis wie auch als Aufforderung auf. Behutsam hob er ihr Gesicht an und hauchte ihr erst auf das lin ke, dann auf das rechte Augenli d einen Kuss, bevor er seine Lippen auf ihren Mund senkte. Anfangs war es nur ein sanfter Kuss, der sich schnell in fordernde Leidenschaft verwandelte. Doch als Sören am Verschluss ihres Büstenhalters herumhantierte, wich sie zurück. „Warte. Ich kann nicht.“
    „Was soll das heissen? Ich kann mich da an Zeiten erinnern, an denen du mehr als genug konntest. Komm her.“ Er wollte sie wieder an sich ziehen, doch sie entwand sich ihm und stand auf.
    „Es tut mir leid. Ich werde jetzt besser gehen.“
    „Wie bitte?“ Entrüstet schoss er ebenfalls in die Höhe. „Was ist denn los mit dir? Ah, ich verstehe, der Barkeeper.“ Prüfend musterte er sie.
    „ Wie bitte? Nein, das ist es nicht. Es ist nur… “ Leonie brach ab und liess die Schultern hängen. „Ach, ich weiss auch nicht. Ich bin nur so durcheinander. Ich denke, ich brauche etwas Zeit. Gedanken ordnen und so. Es tut mir leid“, wiederholte sie und öffnete die Tür. Sie war schon zur Hälfte draussen, als sie sich noch einmal umdrehte. „Übrigens, danke für deine Mühe.“ Die Antwort war ein Schulterzucken, aber das genügte vorerst. Leonie wandte sich ab und zog die Tür hinter sich zu .
     
     

1986
     
    Aus Angst davor, was sie erwarten würde, traten Verena und Leonie nur zögerlich in das Krankenzimmer ein. Die Krankenschwester hinter ihnen musste sie förmlich anschu b sen, damit beim Schliessen der Tür niemand eingeklemmt wurde. Vorsichtig schlich Verena, dicht gefolgt von Leonie , auf das Bett zu, in dem Marc lag. Der Anblick , der sich ihnen bot , war derart trist, dass sie beide unsicher stehen blieben. Der Mann , den sie als Ehemann und Vater in Erinnerung hatten , war nur noch ein Schatten seiner selbst. Das sterile Grau und W eiss , in dem das Zim mer gehalten war und der übliche Geruch nach Desinfektionsmittel , mit dem Krankheiten und Tod so gut wie möglich beseitigt wurden, trug ni cht gerade zur Erheiterung bei.
    Leonie rückte näher an ihre Mutter heran und hielt sich an ihrem Bein fest. Ein leises A ufstöhnen liess sie noch ein wenig mehr zurückschrecken, bevor sie verstand, was geschah. Mit der Erkenntnis ging en dann die Zurückhaltung und das Unwohlsein vergessen.
    „Papa!“ Mit einem Ruck liess sie von ihrer Mutter ab und stürzte auf das Bett zu. Beim Anblick des Schlauches , der aus seiner Hand kam, stockte sie in ihrem Übermut und gehorchte dem Instinkt. Sanft legte sie eine Hand auf den behaarten Arm ihres Vaters und wartete gesp annt, in der Hoffnung, dass

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