Wenn die Wahrheit nicht ruht
später herausstellte, bestand diese Ordnung aus aufgebrachtem um sich Werfen von Gegenständen, in der Hoffnung, alle s möge durch Zauberhand von alleine ordentlich in irgendeinem Behältnis, sei es nun Koffer, Ta sche oder Beutel, Platz finden.
Nach einer Weile des Wütens beruhigte sich Verenas innerer Aufruhr schliesslich soweit, dass sie mit einem von Marcs Pullover n in Händen zu Boden sank. Ihre stets gut frisierte blonde Dauerwelle stand ihr vom Kopf ab, als wäre Verena durchs Dickicht gerobbt, zwei ihrer Nägel waren abgebrochen und an einem splitterte der Lack. Normalerweise Grund genug, um einen erneuten Tobsuchtsanfall zu bekommen. Aber nicht heute. Immerzu kreiste der Gedanke durch ihren Kopf, was sie tun sollte. Sie hatte keine Ahnung, wie man ein Leben alleine regelte. Selbst die Organisation dieser Situation schien ihr derart unmöglich wie die Besteigung des Mount Everest. Sie wusste weder, wo sie anfangen sollte, noch was sie alles vorkehren musste. Allerdings war sie nicht verzweifelt genug, um einzusehen, dass sie sic h einfach nur aufraffen musste.
Verena war eine Frau, die bemitleidet und gerettet werden wollte und nicht eine von der Sorte, die sich zusamme n riss, um sich selbst zu helfen. D afür konnte sie schlicht die Notwendigkeit nicht erkennen .
Also stopfte sie wahllos diverse Gegenstände in einen Koffer, schloss den Riegel und hoffte, dass Marc zwischenzeitlich seine Eltern angerufen und dafür gesorgt hatte, dass sein Vater mit einem Freund herkommen und nach dem Beladen des Autos mit Gepäck und Leonie ins Mitte l land zurückfahren würde. Sie hatte sich ihre Vorstellung gerade so weit zurechtgelegt, dass sie beinahe wieder zu ihrem alten Gemütszustand zurückgefunden hatte, als plötzlich ein eindringliches Schrillen durch die Wohnung dröhnte. Verena fuhr erschrocken auf und liess das soeben gefüllte Wasserglas fallen. Der gesamte Inhalt ergoss sich in einem dunklen Fleck über den Teppichboden. Im Versuch die Quelle des Geräuschs ausfindig zu machen, sah sie sich hektisch um. Doch im Wohnzimmer war nichts, das einen derartigen Lärm auslösen konnte. Also ging sie in den Flur. Und entdeckte ein mattoranges Telefon mit schwarzen Wahltasten. Verwirrt hob sie den Hörer ab und meldete sich knapp mit ihrem Nachnamen. D ie Stimme am anderen Ende sprach in einem einlullenden Singsang, so dass die Essenz der Mitteilung beinahe nebensächlich wurde. Aber eben nur beinahe. Verenas Gesichtszüge versteinerten sich, jeder Muskel schien seiner Aufgabe zu entsagen. Sie liess das Telefon fallen und sackte in sich zusammen. Durch die fehlende Antwort in Aufruhr versetzt , plärrte die Stimme nun wesentlich nervös er durch die Muschel. „Sind S ie noch da? Hallo? Frau Ebner! Ist alles in Ordnung ? “ Aber die Rufe blieben ungehört.
2010
Ein Glas Rotwein in der Hand sass Leonie im Restaurant des Hotels und starrte aus dem Fenster. Das erlangte Wissen lastete mit erdrückender Schwere auf ihr. Sie wollte es einfach nicht glauben, doch sie musste. Denn auf ihrem Weg zurück in ihre eigene Unterkunft hatte ihr Gedächtnis aus unergründlicher Tiefe Buchstabe für Buchstabe einen Namen zusammengesetzt . Peter . Peter , der Polizist. Leonie fasste sich ein Herz und erhob sich mit ihrem Telefon in der Hand. Obwohl sie sie im Speicher hatte, wählte sie Ziffer für Ziffer der Telefonnummer. Es dauerte eine Weile , bis die Zielperson zu hören war. Dies allerdings wie aus weiter Ferne.
„Hallo , Mama.“
„Leonie? Schon wieder?“
Leonie rang um Beherrschung. „ Allerdings. Du bist im Nagelstudio, richtig?“
„In der Tat. Also, worum geht’s?“
Da Verenas Missmut daher gründete, dass sie nur ungern während ihrem Plausch im Nagelstudio gestört wurde , beschloss Leonie die Holzhammermethode zu wählen. „Du hast mich angelogen.“
Schweigen.
„Wir waren schon einmal hier und wag es nicht , dies noch einmal zu bestreiten. Ich habe genug Informationen, die dich Lügen strafen.“
„Leonie, ich verstehe kein Wort. Worum geht es eigentlich?“
„Hör auf“, fauchte Leonie, „hör einfach auf. Es bringt nichts mehr. Neben dem, was ich mir anhören musste, kamen auch einige Erinnerungen zurück. Ich war schon einmal hier, es ist lange Zeit her und auch wenn ich es nicht mehr genau weiss, glaube ich, oder besser fühle ich, dass es kein schönes Ende genommen hat. Also erzählst du mir nun wohl besser die Wahrheit. Ich kann auch hier nach weiteren Informationen
Weitere Kostenlose Bücher