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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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Tochter zu hegen. Und offenbar empfand sie auch keinen Funken ehrliche Sorge um ihre Enkelin. Der Gedanke, dass Charlotte der Obhut - wenn man es denn so nennen konnte - dieser Frau überlassen werden sollte, machte sie schon wieder ganz krank.
    Während sie sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht wischte und dabei hin und her überlegte, was sie als Nächstes tun sollte, klingelte ihr Handy, und sie sah mit Erleichterung, dass es Melody war und nicht Kincaid. Sie war noch nicht so weit, Kincaid zu beichten, dass sie vielleicht gerade ganz großen Mist gebaut hatte.
    »Chefin.« Melody klang beruhigend frisch und munter. »Sie sagten, wenn irgendetwas Neues reinkommt, soll ich Sie anrufen, und das tue ich hiermit. Es hat einen Einbruch in ein Friseurgeschäft am unteren Ende der Ladbroke Grove gegeben. War zwar schon letzte Nacht, aber die Anzeige kam eben erst rein. Der Geschäftsführer hat offenbar gewartet, bis der Eigentümer da war. Soll ich Talleys Team darauf ansetzen?«
    »Was?« Gemma brauchte einen Moment, um Melodys Informationen
zu verarbeiten. In den letzten zwei Wochen hatte es eine ganze Serie von nächtlichen Einbrüchen in kleine Läden gegeben, bei denen die Täter allerdings in den meisten Fällen nur einige Waren und geringe Mengen Bargeld erbeutet hatten. »Oh, natürlich«, sagte sie, als sie sich wieder gefangen hatte. »Ja, Talley soll den Fall übernehmen. Er hat ja schon die anderen bearbeitet.« Sie hatte eine Idee. »Sagen Sie, Melody, könnten Sie sich vielleicht mal kurz losreißen? Ich bin in Bethnal Green.«
     
    Melody hatte den Spitalfields Market als Treffpunkt vorgeschlagen. »Es gibt da eine gute Salatbar. Ich habe noch nicht zu Mittag gegessen, und ich muss ein bisschen auf die Kalorien achten.« Falls sie neugierig war, was Gemma in Bethnal Green trieb, die doch gesagt hatte, sie wolle nach Leyton fahren, um ihre Mutter zu besuchen, so behielt sie es für sich.
    Obwohl Gemma nicht weit zu fahren hatte, brauchte sie so lange, um einen Parkplatz zu finden, dass Melody, die die U-Bahn zur Liverpool Street genommen hatte, schon vor ihr da war.
    An diesem Mittwochnachmittag waren die Tische der Händler in der Hauptpassage des alten Markts zusammengeklappt und zu Stapeln geschichtet, und die leeren Verkaufsflächen wirkten ein wenig trist und verloren unter dem riesigen Glasdach. Gemma fand die Salatbar, als sie um die Ecke bog, gegenüber von ein paar Szenecafés. Drinnen gab es ein Selbstbedienungsbuffet, und draußen unter den Arkaden standen einige Tische mit Sonnenschirmen, wie bei einem Straßencafé.
    »Ich habe das Auto einfach auf dem Parkplatz vom Bangla City abgestellt«, sagte Gemma, nachdem sie Melody begrüßt hatte. »Ich hoffe nur, ich werde nicht abgeschleppt.« Der asiatische Supermarkt war in der Brick Lane, direkt schräg gegenüber der Einmündung der Fournier Street, und auf dem Weg zum Markt war sie an Naz’ und Sandras Haus vorbeigekommen.
Seit sie das Haus vor wenigen Tagen zuletzt gesehen hatte, schien es ihr eine undefinierbare Aura der Verlassenheit angenommen zu haben.
    »Was tun Sie eigentlich hier?«, fragte Melody. »Ich dachte, Ihre Mutter wäre aus dem Krankenhaus entlassen worden?«
    »Ist sie auch. Es - Es ist … kompliziert.«
    Melody musterte sie kritisch. »Also, ich habe einen Bärenhunger, und Sie sehen total fertig aus. Haben Sie schon gegessen?«
    »Nein, aber -«
    »Dann holen wir uns jetzt was. Und dann können Sie mir alles erzählen.« Gemma wollte protestieren, doch Melody ließ sie nicht zu Wort kommen. »Sie setzen sich jetzt hin, und ich suche was aus. Ich weiß, was hier gut ist, und ich weiß, was Sie mögen.«
    Gemma nahm an einem der kleinen runden Tische Platz. Im Moment hatte sie gar nichts dagegen, wenn ihr jemand die Entscheidungen abnahm. In den schattigen, von einem leichten Luftzug durchwehten Arkaden war es angenehm kühl, und als Melody mit Salat in Plastikboxen und zwei Bechern Kaffee an den Tisch zurückkam, war ihr Kopf schon wieder ein wenig klarer.
    Beim bloßen Gedanken an Kaffee drehte sich ihr im ersten Moment der Magen um, aber dann dachte sie, dass sie es vielleicht angehen sollte wie eine Reiterin, die nach einem Sturz gleich wieder aufs Pferd steigt - wenn sie den Geschmack von Gail Gilles’ scheußlichem Gebräu nicht sofort wieder auslöschte, wäre ihr der Kaffee vielleicht für alle Zeiten vergällt.
    Melody hatte ihr einen einfachen Latte gebracht, Gemmas Lieblings-Kaffeegetränk, und

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